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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Schönheitsbegriff verwandelt.
    Dann fuhr er fort:
    »Mit einem Wort, ich kenne keine höhere Anforderung, als daß die Mutter ihr Kind selber stille. Eine jede Mutter, die imstande wäre, ihr Kind selbst zu stillen und es nicht tut, ist eine Verbrecherin. Und in gewissen Fällen, wenn die Mutter absolut nicht in der Lage ist, ihre Pflicht zu erfüllen, bleibt noch die Saugflasche, die, sorgfältig angewendet, mit sterilisierter Milch versorgt, genügende Resultate gibt. Was die auswärtige Pflegerin betrifft, so ist sie fast der sichere Tod des Kindes, und die Amme im Hause wiederum ist das Ergebnis einer unmoralischen Abmachung, eine unberechenbare Quelle von Krankheiten, oft selbst ein doppeltes Verbrechen, der Tod des zu nährenden Kindes, ebenso wie des eignen Kindes der Amme.«
    Der Wagen hielt in der Rue Roquépine, vor dem Ammenvermittlungsbureau.
    »Ich wette,« sagte der Doktor heiter, »daß Sie noch nie den Fuß in ein solches Bureau gesetzt haben, Vater von fünf Kindern, wie Sie sind.« »Wahrhaftig, nein,« erwiderte Mathieu.
    »Nun, so kommen Sie mit und sehen Sie es sich an. Man muß alles kennen lernen.«
    Das Bureau in der Rue Roquépine war das bedeutendste und vorteilhaftest bekannte des Viertels. Es wurde von Madame Broquette gehalten, einer blonden Dame von etwa vierzig Jahren, mit einem würdevollen, etwas geröteten Gesichte, die stets in ein enges Mieder eingeschnürt war und ein etwas verschossenes, braunes Kleid trug. Aber wenn diese Dame die Würde, die Repräsentantin des Hauses war, welcher der Verkehr mit den Kunden oblag, so war die wirkliche Seele, die stets in Bewegung befindliche Triebkraft des Hauses, Monsieur Broquette, der Gatte, ein kleiner Mann von fünfzig Jahren mit spitzer Nase, glänzenden Augen und der Beweglichkeit eines Wiesels. Mit der Exekutivgewalt des Bureaus, mit der Ueberwachung und Erziehung der Ammen betraut, empfing er sie, hielt sie zur Reinlichkeit an, lehrte sie lächeln und sich freundlich benehmen, verteilte sie in die Zimmer, verhinderte sie zu viel zu essen. Vom Morgen bis zum Abend sah man nur ihn, hin und her eilend, scheltend, diese schreckliche Gesellschaft unordentlicher, roher, häufig lügnerischer und diebischer Mädchen in Zucht haltend. Das ganze Haus, ein ehemaliges vernachlässigtes kleines Hotel, mit seinem feuchten Erdgeschoß, das allein den Kunden zugänglich war, und seinen beiden Stockwerken von je sechs Zimmern, die als gemeinschaftliche Schlafräume eingerichtet waren, war nichts als eine eigne Art von Hotel garni, worin die Ammen mit ihren Kindern übernachteten. Es gab da ein fortwährendes Kommen und Gehen, einen ununterbrochenen Durchzug neuankommender Bäuerinnen, welche Koffer schleppten. Wickelkinder trugen, die Zimmer, die Gänge, die gemeinschaftlichen Räume mit lautem Geschrei und übeln Gerüchen erfüllten, während überall das widerwärtigste Durcheinander der verschiedensten Habseligkeiten herrschte. – Im Hause befand sich ferner noch Mademoiselle Broquette, Herminie mit Vornamen, ein blasses Mädchen von fünfzehn Jahren, bleichsüchtig, mager und blutlos, die apathisch ihre reizlose Jungfräulichkeit durch diesen überfüllten Fleischmarkt, durch dieses Meer von Ammen trug.
    Boutan, der im Hause gut Bescheid wußte, trat ein, gefolgt von Mathieu. Der ziemlich breite Hausflur mündete auf eine Glastür, durch die man auf eine Art Hof gelangte, in welchem ein magerer Strauch inmitten eines runden Rasenfleckes stand. Rechts vom Flur befand sich das Bureau, in welches Madame Broquette, auf Wunsch der Kunden, die Ammen kommen ließ; diese hielten sich mit ihren Säuglingen in einem benachbarten Raume auf, der nichts enthielt als einen schmutzigen Weichholztisch in der Mitte und Bänke längs der Wände. Das Bureau enthielt eine alte, rotsammetne Garnitur im Empirestil, ein Mahagonitischchen, eine vergoldete Uhr, Spitzendeckchen über die Lehnen der Fauteuils gebreitet. Zur Linken des Flures endlich, neben der Küche, befand sich der gemeinschaftliche Eßraum, in welchem zwei lange, mit Wachstuch bedeckte Tische standen, umgeben von einer Anzahl defekter Sessel. Der gekehrte Boden ließ erraten, daß in den dunkeln Winkeln lange aufgehäufter Schmutz unbehelligt lag. Sowie man das Haus betrat, spürte man einen scharfen Geruch von Küchenabfällen, sauer gewordener Milch, schlecht gehaltenen Windeln, von all der schmutzigen Wäsche dieser vernachlässigten Bäuerinnen.
    Als Boutan die Tür des Bureaus öffnete, fand er

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