Fruchtbarkeit - 1
zweifellos sehr froh sein werde, meine Aufgabe erfüllen zu können, indem ich eine der Ammen wähle, die sie eben gebracht hat!«
Madame Broquette bat sie nun sehr liebenswürdig, einzutreten. Nachdem er sehr bedächtig alles geprüft hatte, was das Haus an vortrefflichen Ammenbrüsten zu bieten vermochte, war der alte Herr fortgegangen, ohne eine Wahl zu treffen, indem er sagte, er werde wiederkommen.
»Es gibt Leute, die nicht wissen, was sie wollen,« erklärte Madame Broquette weise. »Ich bitte tausendmal um Entschuldigung, daß ich Sie habe warten lassen müssen, Herr Doktor. Und wenn Sie eine gute Amme wünschen, so bin ich in der Lage, Sie zufriedenzustellen, denn es sind eben einige vortreffliche angekommen. Ich werde sie Ihnen zeigen.«
Herminie hatte es nicht einmal der Mühe wert gefunden, die Augen von ihrem Roman zu erheben. Sie blieb in ihrem Fauteuil sitzen und fuhr fort zu lesen, mit ihrem schmalen, bleichsüchtigen Gesichte, das Müdigkeit und Langeweile ausdrückte. Mathieu setzte sich ein wenig seitwärts, um den Vorgängen zuzusehen, während Doktor Boutan wie ein Kapitän, der Musterung hält, stehen blieb, um mit scharfem Auge jede Einzelheit zu prüfen. Und das Defilee begann. Madame Broquette öffnete die Tür, die ihr Bureau mit dem Wartezimmer verband, und führte ohne Hast, in vornehmster Weise, die Blüte ihrer Ammen in Gruppen von dreien herbei, jede mit ihrem Säugling im Arm. So zogen ihrer etwa ein Dutzend vorbei, von den verschiedensten Gestalten, kleine mit plumpen Gliedern, große, gleich Stangen, Brünetten mit sprödem Haar, Blondinen mit sehr weißer Haut, lebhafte und phlegmatische, häßliche und hübsche. Aber alle zeigten dasselbe unruhige und nichtssagende Lächeln, dasselbe furchtsame und verlegene Zieren, dieselbe ängstliche Miene des Dienstmädchens, der Sklavin auf dem Markte, die fürchtet, keinen Käufer zu finden. Sie boten sich an, sie machten die kleinen Mätzchen armer, ungeschickter Mädchen, waren erhellt von innerer Freude, sowie der Kunde an ihnen Gefallen zu finden schien, und sogleich wieder verdüstert, wenn sie glaubten, daß eine Rivalin den Preis davontrage, der sie dann finstere Blicke zuwarfen. Sie kamen im Gänsemarsch und kehrten ebenso zurück, mit schweren Schritten, gedrückt und traurig. Von diesen zwölf wählte der Arzt nach oberflächlicher Untersuchung drei aus. Und von diesen behielt er endlich eine, um sie sodann einer genauen Prüfung zu unterziehen.
»Man sieht gleich, daß der Herr Doktor sich darauf versteht,« erlaubte sich Madame Broquette mit einem schmeichelnden Lächeln zu sagen. »Ich habe nicht häufig eine solche Perle anzubieten. Sie ist eben erst angekommen, sonst wäre sie gewiß nicht mehr da. Und ich kann für diese wie für mich selbst gutstehen, denn ich habe sie bereits einmal placiert.«
Es war ein Mädchen von etwa sechsundzwanzig Jahren, eine Brünette mittlerer Grüße, ziemlich stark, mit derben, ordinären Zügen und einem breiten Kinn. Und da sie bereits im Dienst gewesen war, verstand sie sich zu benehmen.
»Dieses Kind ist also nicht Ihr erstes?«
»Nein, Monsieur, mein drittes.«
»Und Sie sind nicht verheiratet?«
»Nein, Monsieur.«
Boutan schien befriedigt, denn obgleich es eine Prämie auf die Unmoralität setzt, zieht man Mädchen als Ammen vor. Sie sind folgsamer und liebevoller, sind auch weniger teuer und haben nicht den Anhang einer Familie und keinen Mann hinter sich, der bei den Verheirateten ein beständig drohender Schrecken ist.
Ohne sie weiter auszufragen, sah der Arzt ihre Papiere, Zeugnisse und ihr Buch durch und unterzog sie dann einer vollständigen Untersuchung. Er besah ihren Mund und ihr Zahnfleisch und überzeugte sich, daß sie Weiße und gesunde Zähne hatte; er sah ihr in den Hals und begab sich dann in ein Nebengemach behufs noch eingehenderer Untersuchung. Zurückgekehrt, prüfte er schließlich noch die Brüste aufs genaueste, die Entwicklung der Drüsen, die Form der Warze, die Qualität und Quantität der Milch. Er nahm einige Tropfen davon auf die Hand, kostete sie und besah sie genau im vollen Tageslicht.
»Gut, gut,« wiederholte er von Zeit zu Zeit.
Endlich beschäftigte er sich mit dem Kinde, das die Mutter auf einen Fauteuil gelegt hatte, und das nun mit offenen Augen still dalag. Es war ein Knabe von höchstens drei Monaten, von gesundem und kräftigem Aussehen. Nachdem er die Fußsohlen und die Handflächen betrachtet hatte, untersuchte er die Schleimhäute
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