Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
daß alles dir allein gehört.«
    Die Hauen der beiden Arbeiter fielen in regelmäßigem Takt, der Graben verlängerte sich rasch in dem weichen Boden, bald würde das Wasser in die vertrockneten Adern der benachbarten Sandfelder fließen und sie befruchten. Und das Milchbächlein fuhr fort mit leisem Murmeln zu rieseln, eine unerschöpfliche Quelle, die aus der Brust der Mutter sich in den Mund des Kindes ergoß, gleich einem ewigen Lebensborn. Sie floß immerfort und schuf Körper und Geist und Arbeit und Kraft. Gar bald wird ihr leises Murmeln sich mit dem der befreiten Quelle vermischen, wenn sie durch die Kanäle sich über die verdorrten Felder ergießen wird; und diese Quelle sowie jene werden zum Bache werden, dann zum allmählich anschwellenden Flusse, der sich lebenspendend über die ganze Erde ergießt, der große, nährende Milchstrom, der durch die Adern der Welt rollt, der ohne Unterlaß schafft, mit jedem neuen Frühjahr neue Jugend und neue Kraft hervorbringt.
    Vier Monate später, nachdem Mathieu mit seinen Leuten die Herbstarbeiten beendet hatte, ging er an die Aussaat. Marianne war wieder mitgekommen; es war ein grauer, warmer Tag, so warm, daß Marianne wieder dem kleinen Gervais fröhlich die Brust reichen konnte. Er war nun bereits acht Monate alt und eine Persönlichkeit. Er wuchs zusehends von Tag zu Tag in den Armen seiner Mutter, an ihrer warmen Brust, aus der er sein Leben trank. Er war noch nicht von ihr losgelöst, so wie das Korn an der Erde festhält, solange es noch nicht gereift ist. Und um diese Zeit, da der erste kühle Hauch des November fühlbar wurde, da der Winter nahte, der die Keime in der Ackerfurche in Schlaf versenken sollte, vergrub er sein zartes Gesichtchen tiefer in die Wärme der Brust und trank stiller, als ob der Lebensstrom tiefer in die Erde gesunken und unhörbar geworden wäre.
    »Ah,« sagte sie lachend, »dem jungen Herrn ist nicht sehr warm, es ist Zeit, daß er sein Winterquartier bezieht.«
    Den Sack mit dem Samen um die Hüften gebunden, kam Mathieu gegen sie zurückgeschritten, die Körner mit rythmischer Bewegung in weitem Bogen ausstreuend. Er hatte ihre Worte gehört und erwiderte, stehenbleibend:
    »Er soll nur trinken, und dann soll er schlafen und auf die Rückkehr der Sonne warten. Um die Erntezeit wird er ein fertiger Mensch sein.«
    Dann deutete er auf das weite Feld, das er mit seinen beiden Helfern besäte:
    »Das wird wachsen und reifen, wenn unser Gervais gehen und sprechen wird … Sieh nur, sieh nur unser erobertes Gebiet!«
    Er war mit Recht stolz darauf. Nun waren vier bis fünf Hektar des Plateaus entwässert, urbar gemacht und applaniert; und sie erstreckten sich als weite braune Fläche, die von fettem, lang aufgesammeltem Humus bedeckt war, während die Wassergräben, die sie durchfurchten, das Wasser der Quellen zu den benachbarten Hängen leiteten. Um diese trockenen Flächen der Kultur zuzuführen, mußte man warten, bis die Feuchtigkeit sie durchdrungen und befruchtbar gemacht hatte. Das war die Arbeit künftiger Jahre; Schritt um Schritt sollte das Leben das ganze Gebiet wiedererobern. Für den Anfang genügte es, daß diese wenigen Hektar erweckt waren, damit sie die Mittel lieferten, die ersten Spesen zu bezahlen und zu leben, und damit sie an das Wunder glauben machten.
    »Der Abend naht,« sagte Mathieu wieder. »Wir müssen uns beeilen.«
    Und er schritt weiter, den Samen mit rhythmischer Bewegung in weitem Bogen ausstreuend. Während Marianne ihm mit lächelndem Ernst nachschaute, fiel es der kleinen Rose, die mit da war, ein, sie wolle auch säen. Sie nahm Händevoll Erde auf und begleitete den Vater, indem sie seine Bewegung nachahmte. Kaum hatten die drei Knaben das bemerkt, als sie eilig herbeiliefen. Blaise und Denis zuerst, Ambroise hintendrein, und alle aus Leibeskräften säten. Sie lachten unbändig dabei und tollten in ausgelassenem Lauf um den Vater herum. Und es schien, als ob Mathieu mit derselben weit ausholenden Bewegung, womit er der Erde die erwarteten Saatkörner anvertraute, auch sie aussäte, diese teuern, geliebten Kinder, sie vermehrte, ohne zu rechnen, bis ins Unendliche, damit ein ganzes zukünftiges Geschlecht von Säern aus seiner Gebärde sprieße und fortfahre, die Welt zu bevölkern.
    Zu ihrer Ueberraschung sah Marianne plötzlich die Angelin vor sich, die verliebten Eheleute, die geräuschlos aus einem Waldpfade hervorgetreten waren. Ehe sie sich für den Winter eifersüchtig in ihr Häuschen in

Weitere Kostenlose Bücher