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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Janville einschlossen, trug sie ihre Zärtlichkeit noch einmal durch die verlassenen Wege, die das dürre Herbstlaub deckte; und so, dicht aneinander gedrückt durch die Gegend streifend, waren sie so ganz in ihre Liebe versunken, daß sie nichts sahen, was nicht dicht vor ihnen war. Als sie daher, von dieser unerwarteten Bewegung aus ihren Träumen aufgestört, den Kopf erhoben, waren sie überrascht von diesen neuen Feldern, von diesen Arbeiten, die ihnen übrigens nicht unbekannt geblieben waren. Mathieu war ihnen als seltsamer Schwärmer erschienen, der, anstatt die Erde zu lieben und zu versuchen, auch ihr Kinder zu erzeugen, sich mit seiner reizenden Frau zufriedengeben sollte. Und überhaupt lag ihnen das alles so fern!
    Sie blieben jedoch im Gespräch und stellten sich aus Liebenswürdigkeit, als bewunderten sie die erzielten Erfolge ungemein. Ihr fortwährender Entzückungsrausch hatte das Liebenswürdige an sich, daß er ihnen den Wunsch eingab, daß alle Welt gleich ihnen glücklich sei. Bis jetzt war ihr Leben ein einziges Fest gewesen; sie ging ganz auf in der Seligkeit, angebetet zu werden, er war geliebt, gesund, reich, malte seine wenigen Fächer nur um des Vergnügens willen, schwebende Frauengestalten und Blumen darüber hinzustreuen.
    Aber Madame Angelin, die am Arme ihres Mannes, zärtlich gegen seine Schulter gelehnt, stehengeblieben war, < a name=“page283” title=“Wang/bzeyen” id=“page283”>schien in Träumerei versunken, den Blick auf Mathieu geheftet, der, nachdem er sie begrüßt hatte, fortfuhr, mit weitausholender Gebärde den Samen auszustreuen. Sie mochte wohl eigenartig bewegt sein von diesen spielenden Kindern, von diesem Schwarm fröhlicher kleiner Geschöpfe, die, gleichsam der Hand des Säers entflogen, ihn fröhlich umtanzten, und sie sagte plötzlich mit langsamer Stimme, ohne ersichtlichen Anlaß: »Ich habe kürzlich eine Tante verloren, eine Schwester meiner Mutter, die sicherlich aus Kummer darüber gestorben ist, daß sie keine Kinder hatte. Sie hatte einen kräftigen Mann von sechs Schuh Höhe geheiratet, sie selbst war groß, stark, sehr schön, und ich war oft Zeugin ihrer Verzweiflung, wenn sie kleinen, unscheinbaren Frauen begegnete, die reich mit Kindern gesegnet warm. Ihr Mann hatte ein großes Vermögen erworben, das Ehepaar besaß alles, Geld, Gesundheit, zahlreiche Freunde. Aber alle ihre Besitztümer zählten nicht für sie, ich habe sie nie anders gesehen als betrübt, lediglich der Sehnsucht nachhängend nach der einzigen Freude, die ihnen versagt war, nach Knaben und Mädchen, die ihr ödes Haus beleben würden … Und diesen Kummer hatten sie vom ersten Jahre ihrer Ehe angefangen; sie waren zuerst erstaunt, als nichts kam, dann mehr und mehr von Unruhe ergriffen, als die unfruchtbaren Jahre einander folgten, endlich verzweifelt, als die entsetzliche Gewißheit ihres Unvermögens sich ihnen aufdrängte. Sie können sich nicht vorstellen, was sie alles versucht haben, Aerzte, Bäder, Heilmittel, in einem mehr als fünfzehnjährigen rastlosen Kampfe; allmählich schämten sie sich ihrer erfolglosen Anstrengungen, verbargen sich, als ob sie mit einem Schandfleck behaftet wären … Dabei bewahrten sie in ihrem Unglück genug Zärtlichkeit füreinander, um sich nicht gegenseitig anzuklagen, um ihr Elend gemeinsam als gleicherweise Betroffene zu tragen; denn man hat mir von einer andern Ehe erzählt, die zu einer wahren Hölle wurde, da weder der Mann noch die Frau für den unfruchtbaren Teil gelten wollte. Ach, die arme, liebe Tante, ich sehe sie noch immer vor mir, wie trostlos sie war, wie sie immer ihre Muttertrauer mit sich herumtrug, wie die Tränen sie erstickten, wenn sie uns, ihre kleinen Nichten, am Neujahrstage küßte. Sie ist nun gestorben, verzehrt von einem unaushörlich nagenden Sehnen, und ich glaube, daß ihr armer, < a name=“page284” title=“Wang/bzeyen” id=“page284”>alter Mann ihr bald nachfolgen wird, denn er ist nun doppelt allein und verlassen.«
    Ein Schweigen entstand, während ein leichter, kalter Windhauch unter dem weiten grauen Novemberhimmel hinfuhr.
    »Aber,« fagte Marianne, »ich dachte doch, daß auch Sie keine Kinder wollen?«
    «Ich, gütiger Himmel, wer hat Ihnen das gesagt? Ich will nur jetzt keine Kinder, weil alles seine Zeit hat, nicht wahr? Man darf wohl, in unserm Alter, ein wenig der Liebe genießen wollen. Aber wenn wir einmal vernünftig werden, dann sollen Sie sehen. Wir müssen vier haben, zwei

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