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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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sie während des ganzen Tages damit tun?
    »Bah!« sagte sie endlich. »Ich nehme es doch mit und werde es im Bureau in Aufbewahrung geben, ehe ich meine Wege mache. Man wird ihm dort das Saugfläschchen geben, es muß sich ja doch daran gewöhnen, nicht wahr?«
    »Natürlich,« sagte die Mutter ruhig.
    Als die Couteau nach vielen Danksagungen und Komplimenten sich zum Gehen anschickte und das Kind nehmen wollte, stand sie mit zögernder Gebärde einen Augenblick vor den beiden Kindern, die nebeneinander auf der Bettdecke lagen.
    »Oho,« sagte sie vor sich hin, »ich darf sie nicht verwechseln!«
    Das klang drollig, und alle lachten. Céleste lachte laut auf, während die Catiche lächelnd ihre schönen Zähne zeigte. Und die Couteau nahm den Säugling mit ihren langen, knöchernen Händen und trug ihn fort. Wieder ein Opfer zur Schlachtbank geführt, wieder ein kleines Leben den unablässig tätigen Würgern überliefert!
    Nur Mathieu hatte nicht gelacht. Ihn hatte die plötzliche Erinnerung überkommen an seine Unterredung mit Boutan, an das, was dieser von der demoralisierenden Wirkung des Ammengewerbes gesagt hatte, von dem schändlichen Handel, der da abgeschlossen wurde, von dem gemeinsamen Verbrechen der beiden Mütter, die beide das Leben ihrer Kinder wagen, die reiche Mutter, die die Milch einer andern kauft, und die feile, die die ihrige verkauft. Ihm wurde eisig ums Herz, als er das arme kleine Wesen sah, das man noch so blühend in Gesundheit forttrug, als er dieses andre sah, das dablieb, und das schon so schwächlich war. Und was wird das Ende von allem sein, welchem Geschick treibt eine Gesellschaft zu, die in diesem Maße verderbt ist, die eines oder das andre dieser Geschöpfe opfert, alle beide vielleicht? Menschen und Dinge nahmen ihm eine düstere Gestalt an, flößten ihm Entsetzen ein.
    Aber Valentine führte nunmehr die beiden Männer in den weiten, prächtigen Salon zurück. Sie war so entzückt, so vollkommen befreit, daß sie ihre ganze burschikose Leichtherzigkeit, ihr Verlangen nach Lärm und Vergnügen wiedergefunden hatte. Und als Mathieu nun endlich Abschied nahm, hörte er, wie Santerre, ihre Hand in der seinigen haltend, triumphierend sagte:
    »Also auf morgen?«
    »Ja, ja, auf morgen!« rief sie, sich nun widerstandslos ergebend. Sie hatte keinen Schutz mehr.
    Acht Tage später war die Catiche die unbestrittene Königin des Hauses. Andrée hatte etwas Farbe gewonnen, sie wog alle Tage mehr; und vor diesem Resultat neigte sich alles, die Macht der Amme wurde unbeschränkt. Man schreckte dermaßen davor zurück, einen abermaligen Wechsel eintreten zu lassen, daß man von vornherein die Augen gegen alle möglichen Fehler schloß. Sie war die dritte, eine vierte Amme hätte das Kind getötet, und das machte aus ihr die Einzige, die Unentbehrliche, die, welche man um jeden Preis behalten mußte. Im übrigen schien sie keinen Fehler zu haben, sie blieb die ruhige und schlaue Bäuerin, die die Herrschaft zu behandeln und alles aus ihnen zu ziehen weiß, was aus ihnen zu ziehen ist. Sie führte ihren Beutezug bei den Séguin mit außerordentlicher Geschicklichkeit und Energie durch. Anfangs schien die Sache krumm gehen zu wollen, da sie auf Célestes gleichartige Tätigkeit stieß, der sich diese ebenfalls in großartigem Maßstabe widmete. Allein sie waren beide zu kluge Frauen, um sich nicht bald zu verständigen. Da ihre Wirkungsgebiete nicht dieselben waren, so einigten sie sich darüber, daß sie sehr gut nebeneinander plündern konnten. Von da ab unterstützten sie einander sogar, sie teilten sich in das Reich und sogen das Haus zu zweien aus.
    Die Catiche saß auf dem Throne, die andern Domestiken bedienten sie, die Herrschaft lag ihr zu Füßen. Man beseitigte für sie die besten Stücke, sie hatte ihren Wein, ihr Weißbrot, alles, was man nur Delikates, Nahrhaftes finden konnte. Gefräßig, träge und hochmütig, gebärdete sie sich als Despotin und ordnete die Leute und Dinge ihren Launen unter. Man gab ihr in allem nach, damit sie nicht in Zorn gerate, wodurch ihre Milch hätte gerinnen können. Wenn sie den kleinsten Kolikanfall hatte, geriet das Haus in Aufruhr. Eines Nachts litt sie an einer Indigestion, und man schellte alle Aerzte des Viertels aus dem Bette. Ihr einziger Fehler war, daß sie ein wenig diebisch war, es passierte ihr manchmal, daß sie sich herumliegende Wäsche aneignete; aber die Hausfrau wollte es nicht wissen. Obendrein überhäufte man sie mit Geschenken,

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