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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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sehen, ob Sie es waren, der recht hatte. Viel Glück, mein Lieber! Auf Wiedersehen, Cousine! Adieu, Kinder, seid brav!«
    Es gab abermals Küsse und Händedrücke, dann verschwanden die beiden Männer. Und als wieder friedliche Stille eingetreten war, saßen Mathieu und Marianne wieder auf demselben Platze vor dem hellen Feuer, während die Kinder unter großer Gummiverschwendung weiter an ihrem Dorfe bauten und Gervais fortfuhr, mit leichten Atemzügen süß zu schlafen. War es ein Traum gewesen! Welcher plötzliche Windstoß, aus den Schändlichkeiten und Leiden der Großstadt entstammt, war durch ihren liebenden, weltfremden Frieden gefahren? Draußen lag die Landschaft nach wie vor in eisiger Erstarrung. Nur das Feuer sang die Hoffnung des künftigen Erwachens. Und nach einigen Minuten träumerischen Sinnens begann Mathieu zu sprechen, als hätte er nun endlich den Schlüssel gefunden, die entscheidende Antwort auf alle die ernsten Fragen, die ihm solange auf der Seele gelegen.
    »Diese Leute lieben einfach nicht, sie sind unfähig, zu lieben. Das Geld, die Macht, den Ehrgeiz, das Vergnügen, o ja, diese Dinge können sie verstehen, aber sie verstehen die Liebe nicht. Die Gatten, die ihre Frauen betrügen, lieben auch ihre Geliebten nicht. Sie haben nie von der großen Begierde geglüht, von der göttlichen Begierde, die die Seele der Welt ist, der Feuerherd des ewigen Lebens. Damit erklärt sich alles. Wer die Begierde nicht fühlt, wer die Liebe nicht fühlt, der hat keinen Mut und keine Kraft. Man zeugt, man schafft nur durch die Liebe. Wie sollten die Männer von heute den beherzten Mut zu einer zahlreichen Familie finden, wenn sie nicht von der Liebe erfüllt sind, die ohne feige Einschränkung ihr Lebenswerk vollbringt? Sie betrügen, sie unterschlagen, weil sie nicht lieben. Sie leiden später, sie geraten in äußerste physische und moralische Entartung, weil sie nicht lieben. Das Ende von allem ist die Qual und wird schließlich der Zusammenbruch dieser morschen Gesellschaft sein, die sichtlich jeden Tag mehr verfällt. Das ist also die Wahrheit, die ich suchte. In der Begierde, in der Liebe liegt die Rettung. Derjenige, der liebt, der zeugt, der schafft, der ist der revolutionierende Retter, der Erschaffer von Menschen für die Welt der Zukunft.«
    Nie hatte er so deutlich gefühlt, daß er und seine Frau anders seien als die andern; dies stand ihm in diesem Augenblicke mit überwältigender Klarheit und Unwiderleglichkeit vor Augen; Vergleiche drängten sich ihm auf, und er sah, daß ihr so einfaches, von gieriger Gewinnsucht freies Leben, ihre Verachtung des Luxus und der weltlichen Eitelkeit, die Hingabe aller ihrer Kräfte an die Arbeit, ihre Art, die Vervielfältigung des Lebens zu fördern, zu begrüßen, zu verehren, dieses ganze Dasein, das ihr Glück und ihre Stärke ausmachte, aus nichts anderm entsprang, als aus der ewigen Urquelle aller Kraft, der Liebe, deren göttliche Begierde sie durchglühte. Wenn ihnen dereinst der Sieg zu teil werden sollte, wenn sie eines Tages vollendete Werke, Gesundheit und Glück hinterlassen würden, so würde es nur sein, weil sie die Kraft gehabt hatten, zu lieben, die Tapferkeit, Menschen zu erzeugen, diese reiche Nachkommenschaft, die aus ihnen erwuchs, wie eine Ernte, welche die Macht und den Sieg bedeutete. Und diese plötzliche Gewißheit begeisterte ihn, befeuerte sein Blut mit einer solchen Leidenschaft, daß er sich gegen seine Frau neigte, die ihm bewegt zuhörte, und sie leidenschaftlich auf den Mund küßte. Es war die göttliche Begierde, die wie eine Flamme über ihn hinschlug. Aber obgleich selbst erregt und mit brennenden Augen, hatte sie die Kraft, ihn zurückzuhalten, indem sie mit lachendem Schelten sagte:
    »Willst du wohl vernünftig sein! Du wirst Gervais aufwecken. Später, wenn er einmal meiner nicht mehr bedarf.«
    Sie blieben Hand in Hand in festem Druck und versanken in köstliches Schweigen. Der Abend nahte, das Gemach erfüllte sich mit tiefstem Frieden, während die Kinder an ihrem Tische Jubelrufe ausstießen über ihr vollendetes Dorf, in welchem Holzstückchen die Bäume darstellten. Und die zärtlichkeitserfüllten Augen der Gatten schweiften durch das blanke Fenster hinaus in die Ferne bis zu der unter der Kristalldecke des Frostes schlafenden Saat da drüben, und kehrten dann zu der Wiege ihres Jüngstgeborenen zurück, in der gleichfalls die Hoffnung schlief.
    Abermals vergingen zwei Monate, Gervais war ein Jahr alt geworden

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