Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
vorbeigekommen, und er hätte niemals geglaubt, daß die Frucht so dicht herauskommen werde, denn er hatte hundertmal wiederholt, daß kein Halm da wachsen werde, so verfault sei der Boden. Aber obgleich eine geheime Wut ihn erstickte, als er sah, daß seine Vorhersagung sich so schlecht erfüllte, blieb er starrsinnig, wollte sich nicht ergeben, affektierte spöttischen Zweifel.
    »Sie glauben also wirklich, daß das tragen wird? Ja freilich, man kann nicht sagen, daß es nicht herausgekommen ist. Aber wir wollen erst sehen, ob es wird reifen können.«
    Und da Mathieu in ruhiger Sicherheit lächelte, fuhr er fort, um ihm die Freude zu verderben:
    »Ach ja, wenn Sie die Erde erst einmal kennen werden, so werden Sie sehen, daß sie wie jene gemeinen Weiber ist, von denen man nie weiß, ob man bis zum Schluß Freude oder Verdruß mit ihnen haben wird. Ich habe schon Ernten gesehen, die prächtig zu werden versprachen; aber dann kam eine Verräterei der Hexe, ein Gewitter, ein Sturm, oft selbst keine besondere Ursache, ein Nichts, eine Laune, und aus war’s, alles ging zu Grunde. Aber Sie sind noch zu neu im Handwerk, Sie müssen erst noch Lehrgeld zahlen.«
    Seine Frau, die ihm mit Stolz zuhörte und kopfnickend beistimmte, nahm nun Marianne auf sich.
    »Mein Mann sagt das nicht, um Ihnen den Mut zu nehmen, Madame. Aber die Erde ist wie die Kinder, sehen Sie. Es gibt welche, die leben, es gibt welche, die sterben; die einen machen einem Freude, die andern machen einem Kummer. Aber wenn man alles zusammenrechnet, so gibt man immer mehr, als man bekommt, und man findet zum Schlusse, daß man nur der Narr gewesen ist. Sie werden schon sehen, Sie werden schon sehen!«
    Peinlich berührt von diesen bösen Vorhersagungen, erhob Marianne, ohne zu antworten, ihre Augen vertrauensvoll zu Mathieu. Dieser, obgleich einen Augenblick geärgert durch die Unwissenheit, den törichten Neid und die Mißgunst, die er aus all dem herausfühlte, begnügte sich, scherzhaft zu erwidern: »Nun gut, wir werden sehen. Wenn Ihr Sohn Antonin einmal Präfekt sein wird, und meine zwölf Töchter nichts als Bäuerinnen, werde ich Sie zu ihren Hochzeiten einladen, und bis dahin werden Sie wohl Ihre Mühle haben neu bauen und mit einer großen Dampfmaschine versehen müssen, um all das Getreide zu mahlen, das auf meinem Besitze wachsen wird, hier, dort, rechts, links und überall.«
    Er umfaßte einen so weiten Bezirk mit seiner Gebärde, daß der Müller, dem es nicht behagte, daß man sich über ihn lustig machte, beinahe böse wurde. Er versetzte seinem Pferd einen heftigen Peitschenhieb, und der Karren holperte von dannen.
    »Frucht, die herauskommt, ist noch nicht in der Mühle. Adieu, und viel Glück übrigens!«
    »Danke. Adieu!«
    Während die Kinder sich herumtrieben und nach den ersten vorzeitigen Primeln suchten, setzte sich Mathieu ein wenig neben Marianne, die, wie er sah, vor Furcht erbebt war. Er sprach kein Wort, er wußte sie stark genug, vertrauensvoll genug, um selber die Angst zu überwinden, die ihr Frauenherz vor der Zukunft empfinden mochte. Er setzte sich einfach neben sie, ganz dicht, so daß er sie berührte, und sah ihr in die Augen und lächelte sie an. Sogleich wurde auch sie ruhig und fand auch ihrerseits ihr gutes Lächeln wieder, während der kleine Gervais, dem die Reden böser Menschen noch nichts anhaben konnten, fortfuhr zu trinken, ohne einen Schluck zu verlieren und mit gefräßigem Behagen zu schnurren. Die Milch rieselte, rieselte ohne Unterlaß, schwellte seine kleinen, täglich stärker werdenden Glieder, verbreitete sich in der Erde, erfüllte die Welt, nährte zu jeder Stunde das ewig sich mehrende, ewig neu erblühende Leben. War das nicht die Antwort der Hoffnung und der Zuversicht auf alle Todesdrohung, der sichere Triumph des Lebens, diese schönen Kinder, die unter der Sonne stets wachsen würden, dieser Erntesegen, der jedes Frühjahr dem Boden entsprießen würde? Bald, am glorreichen Tage der Ernte, werden die Aehren gereift sein, werden die Kinder erwachsen sein.
    Und so geschah es drei Monate später, als die Beauchêne und Séguin ihr Versprechen hielten und alle kamen, die Männer, die Frauen und die Kinder, um den Nachmittag eines schönen Sonntags in Chantebled zuzubringen. Sie hatten sich sogar verabredet, Morange für einen Tag der stumpfen Verzweiflung zu entreißen, in der er hinlebte, und hatten ihn vermocht, mit Reine sich ihnen anzuschließen. Nachdem die ganze Schar den Eisenbahnzug

Weitere Kostenlose Bücher