Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
verlassen hatte, setzte sie sich sogleich nach dem Plateau in Bewegung, um das vielbesprochene Feld zu sehen; denn alle waren darauf ungemein gespannt, so sehr hatte der Entschluß Mathieus, zur Erde zurückzukehren und Bauer zu werden, ihnen wunderlich und unerklärlich geschienen. Er lachte fröhlich und konnte sich zum mindesten eines vollen Überraschungserfolges erfreuen, als er mit einer Handbewegung auf das Feld deutete, das unter dem blauen Himmel sein Meer hoch aufgeschossener Halme dehnte, mit den schon schwer gewordenen Ähren, die unter dem Winde in leichten Wellen wogten. Im Sonnenlichte des prächtigen heißen Nachmittags breitete sich hier die triumphierende Fruchtbarkeit aus, ein Segen von unerhörter Fülle, den der fette Boden, der seit Jahrhunderten aufgespeicherte Humus hatte hervorsprießen lassen, diese erste und gewaltige Ernte liefernd, wie um die ewige Lebensquelle zu glorifizieren, die in den Eingeweiden der Erde schlummert. Die Milch hatte sich verbreitet, die Frucht wuchs überall in überquellender Fülle hervor, brachte Gesundheit und Kraft, zeugte für die Arbeit der Menschenhand, für die Güte und Gemeinsamkeit der Welt. Hier flutete das wohltätige, das nahrungbringende Meer, aus dem aller Hunger gestillt werden würde, auch derer, die noch geboren werden sollten, und die Wellen seiner Ähren trugen die frohe Botschaft von Horizont zu Horizont. Constance und Valentine waren nicht sehr gerührt, denn diese Gräsermenge sagte ihnen nichts, deren Seelen mit andern Interessen erfüllt waren; ehenso unberührt war auch Morange, dessen unstete, erloschene Augen schauten, ohne zu sehen. Aber Beauchêne und Séguin brachen in Ausrufe der Bewunderung aus, indem sie sich ihres Besuches im Januar erinnerten, da die erstarrte Erde noch im geheimnisvollen Schlaf gelegen hatte. Sie hatten damals nichts geahnt und standen nun verblüfft vor diesem wunderbaren Erwachen, dieser siegreichen Fruchtbarkeit, die ein sumpfiges und verwildertes Stück Erde in ein Feld voll reichen Lebens verwandelt hatte. Besonders Séguin konnte sich in Ausdrücken des Lobes und der Bewunderung nicht genug tun, denn er war nun gewiß, daß er sein Geld erhalten würde, und hoffte bereits darauf, daß Mathieu sich um den Ankauf eines neuen Stückes der Besitzung bewerben werde.
    Als sodann alle in den ehemaligen Jagdpavillon, der nun bereits ganz in ein Bauernhaus verwandelt war, zurückgelehrt waren und in Erwartung des Essens im Garten beisammen saßen, kam das Gespräch wieder auf die Kinder. Marianne hatte gerade gestern angefangen, Gervais zu entwöhnen; sie hatte ihm am Abend zum letztenmal zu trinken gegeben; und nun befand er sich hier inmitten der Damen, und obgleich noch nicht fest auf den Beinen, watschelte er von einer zur andern, ohne sich davon entmutigen zu lassen, daß er immer wieder nach vorn und rückwärts niederfiel. Er war ein frohgemutes Kind, das nicht verdrießlich wurde, offenbar weil er gesund war. Seine großen, glänzenden Äugen lachten, seine Hände streckten sich jedem freundschaftlich entgegen, und er war sehr weiß, sehr rosig, schon ein kleiner Mann mit seinen fünfzehneinhalb Monaten. Der Milchstrom war auch durch ihn geflossen, die mütterliche Nährquelle hatte ihm fröhliches Wachstum gegeben, der Keim hatte sich aus dem kräftigen Boden zu prächtiger Blüte entfaltet. Constance und Valentine bewunderten ihn, während Marianne ihn scherzend abwehrte, so oft er, nach dem gewohnten leckeren Mahle verlangend, die Händchen nach ihrer Brust ausstreckte.
    »Nein, nein, mein junger Herr, damit ists vorbei. Von jetzt ab kriegst du nur mehr Suppe.«
    »Dieses Entwöhnen ist schrecklich!« sagte Constance. »Hat er Sie diese Nacht schlafen lassen?«
    »O ja, er hatte gute Gewohnheiten, er trank nie bei Nacht. Aber heute früh war er ganz verdutzt und hat geweint. Jetzt ist er schon wieder brav, wie Sie sehen. Mit den andern habe ich auch nicht mehr Umstände gehabt.«
    Beauchêne hörte stehend zu, während er mit Behagen seine ewige Zigarre rauchte. Constance rief ihn zum Zeugin auf.
    »Da haben Sie Glück; denn du erinnerst dich, mein Lieber, was wir mit Maurice ausgestanden haben, nachdem wir die Amme fortgeschickt hatten. Drei Nächte hindurch hat er uns nicht schlafen lassen. Ich glaube, Gott verzeihe mir, das ist einer der Gründe, weshalb ich kein zweites Kind mehr haben wollte.« Sie lachte, und Beauchêne rief aus:
    »Da sieh ihm zu, wie er spielt, dein Maurice, und sage mir dann

Weitere Kostenlose Bücher