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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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wieder, daß er krank ist!«
    »Ich sage das gar nicht mehr, mein Lieber, er befindet sich im Gegenteil jetzt sehr wohl. Und im übrigen war ich nie ernstlich beunruhigt, ich weiß, daß er sehr kräftig ist.«
    Die acht Kinder, die sich da befanden, hatten auf den Gartenwegen und selbst über die Rabatten hinweg ein großes Spiel arrangiert. Es waren die vier des Hauses, Blaise, Denis, Ambroise und Rose; dann Gaston und Lucie, die Kinder der Séguin, die es sich erspart hatten, Andrée, ihre Jüngste mitzubringen; endlich Reine und Maurice. Und dieser schien nun tatsächlich fest auf seinen Beinen, obgleich noch immer ein wenig blaß, trotz seines breiten Gesichts und kräftigen Kinns. Seine Mutter war so glücklich, ihn herumlaufen zu sehen, so voll befriedigten Stolzes über ihren erfüllten Traum, daß sie ganz liebenswürdig wurde, selbst gegen diese armen Verwandten, deren Uebersiedlung aufs Land ihr eine unbegreifliche Selbsterniedrigung schien, die sie für immer aus ihrer Welt strich. Sie existierten nicht mehr.
    »Jawohl, ich setze nicht viele in die Welt,« sagte Beauchêne, »aber wenn ich es tue, sind sie so gebaut wie der da, wie, Mathieu?«
    Er bereute diesen Scherz wohl augenblicklich, er zwinkerte ein wenig mit den Augenlidern, eine leichte Blässe überzog seine Wangen, als er dem Blicke seines früheren Zeichners begegnete, einem hellen Blicke, welcher das Bild jenes andern Kindes, das Norinens, vor ihm entstehen ließ, das ins Unbekannte geworfen worden war, er wußte nicht, wohin. Es entstand ein Schweigen, in welchem man die fröhlichen Rufe der spielenden Kinder hörte, und eine Prozession kleiner Schatten zog unter der hellen Sonne vorüber, die kleinen Verwünschten der Hebammenhäuser, der Spitäler und Gebäranstalten, die zarten Neugeborenen, die von den Zuführerinnen zusammengerafft und weggetragen werden, um in irgendeinem Winkel dem Zufall überlassen zu werden, vor Kälte oder Hunger zu sterben. Welches Entsetzen, welcher Jammer, beschleichen das Herz, wenn es dieser willkürlichen Vernichtung der menschlichen Ernte gedenkt!
    Mathieu hatte kein Wort zu erwidern vermocht. Seine Bewegung wurde noch tiefer, als sein Blick auf Morange fiel, der, auf einen Sessel gesunken, dem kleinen Gervais zusah, wie er fröhlich lachend umhertaumelte; er war ganz versunken in den Anblick dieser gesunden und blühenden Kindheit, seine Augen trübten sich und füllten sich mit Tränen. Sah auch er den Geist der Toten vorüberschweben, die von dem Kinde war fortgenommen worden, welches sie sich geweigert hatten, aufzunehmen, jenem früher so ersehnten Knaben, der vergangen war, ehe er gewesen? Düstere Gespenster erweckten die Erinnerung an jene abscheuliche Höhle, an die blutende, hingemordete Mutterschaft, während der sonnenbeschienene Garten von dem fröhlichen Jauchzen der spielenden Kinder wiederhallte.
    »Wie entzückend Ihre Reine ist!« sagte Mathieu, um ihn seinem selbstquälerischen Grübeln zu entreißen. »Sehen Sie nur, wie sie mit den andern läuft, ein rechtes Kind, als ob sie nicht bald heiratsfähig wäre!«
    Morange, der langsam den Kopf erhoben hatte, richtete den Blick auf seine Tochter; und in seinen noch tränennassen Augen erschien ein Lächeln, der Ausdruck einer täglich wachsenden Vergötterung. Je mehr das Kind heranwuchs, desto ähnlicher fand er sie ihrer Mutter, und eine Leidenschaft für sie hatte ihn erfaßt, in welcher alle seine andern Gefühle, alle seine Wünsche, sein ganzer Mannesegoismus untergingen. Er hatte kein andres Lebensinteresse mehr, als sie sehr schön, sehr reich, sehr glücklich zu sehen. Das wäre dann gleichsam seine Lossprechung, die einzige Freude, auf die er noch hoffen konnte. Und schon erfüllte ihn der Gedanke mit Eifersucht, daß eines Tages ein Gatte sie ihm nehmen und er allein in seiner traurigen Einsamkeit, allein mit dem Schatten der Toten zurückbleiben würde.
    »Oh, sie verheiraten,« sagte er leise; »noch lange nicht! Sie ist ja erst vierzehn Jahre alt.«
    Alle ergingen sich in Ausrufen des Erstaunens, man hätte sie für achtzehn gehalten, so stark war sie entwickelt, ein schönes, erwachsenes Mädchen. Und in der Tat, aus ihrem dichten schwarzen Haar, ihrer frischen, blühenden Haut strömte ein Duft vorzeitiger Sinnlichkeit, ebenso wie der heiße Wunsch nach Vergnügen und Luxus, von dem ihre Mutter erfüllt gewesen, bei ihr noch stärker zum Ausdruck kam, sich selbst im Spiele durch ihre leidenschaftliche Hingabe, durch ein

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