Fruchtbarkeit - 1
das verlorene Paradies zu suchen. Sie setzte ihn wieder zur Erde, indem sie unter verdoppelter Heiterkeit rief: »Nein, nein, junger Herr, daraus wird nichts, ich habe dir schon gesagt, daß es aus ist. Du siehst ja, daß man uns auslachen würde.«
Dann folgte eine reizende Szene. Mathieu betrachtete Marianne voll Zärtlichkeit. Sie kehrte also zu ihm zurück nach erfüllter Pflicht, nachdem sie dem Kinde vollends das Dasein gegeben, indem sie es mit ihrem Leben genährt. Die Gattin, die Geliebte war wieder erwacht, sie war wieder Weib geworden, in dem frohen Bewußtsein der Kindesentwöhnung, ein neuer Frühling erstand, eine neue, von der Ruhe erquickte Erde erschloß sich wieder, bebend vor Fruchtbarkeit. Nie noch hatte er sie so liebreizend, von einer so kraftvollen, ruhigen Schönheit gefunden, wie in diesem Triumphe ihrer glücklichen Mutterschaft, gleichsam vergöttlicht durch den Milchstrom, der aus ihr entsprungen war, um durch die Welt zu fließen. Sie war von einer Glorie umflossen, die Lebensspenderin, die wahre Mutter, die, die nährte, nachdem sie geboren hatte, denn eine andre gibt es nicht, die andern sind nur schlechte und unvollkommene Arbeiterinnen, welche die Schuld an unausdenkbarem Unheil tragen. Und wie er sie so in ihrer Glorie sah, inmitten seiner kraftvollen Kinder, einer guten Göttin gleich, in fortwährender Fruchtbarkeit, wieder bereit zu empfangen, da fühlte er sich durchzuckt von Anbetung, von Verlangen, von heißer Begierde, von der unauslöschlichen Flamme der ewigen Sonne. Die göttliche Begierde fuhr über ihn hin, die brennende Weltseele, die in den Feldern bebt, die im Wasser rollt und im Winde weht, in jeder Sekunde Millionen Wesen zeugend. Vielleicht war er nur berauscht von dem kaum wahrnehmbaren Duft ihrer Haare, wie von entferntem Blumenduft. Vielleicht war nur ein einziger zärtlicher Blick zwischen ihnen getauscht worden, die gegenseitige Wiedergabe alles dessen, was im einen dem andern gehörte. Sie verfielen in eine köstliche Ekstase, sie vergaßen die ganze übrige Welt, alle Leute, die da waren. Sie sahen sie nicht mehr, empfanden nur das Verlangen, einander wieder zu erfassen, einander zu sagen, daß sie sich liebten, daß die Zeit da war, wo die Liebe wieder blühte. Er neigte sich zu ihr, sie hob ihr Gesicht zu ihm, und sie küßten sich. »Nun, geniert euch nicht!« rief Beauchêne lachend. »Was habt ihr denn?«
»Wünschen Sie, daß wir fortgehen?« fragte Séguin.
Und während Valentine ausgelassen lachte und Constance ein wenig verlegen, ein wenig strenge dreinsah, sagte Morange mit Tränen in der Stimme: »Ach, Sie haben sehr recht!«
Erstaunt über das, was sie getan hatten, ohne es zu wollen, blieben Marianne und Mathieu einen Augenblick starr und sahen einander bestürzt an. Dann brachen sie in fröhliches Lachen aus und entschuldigten sich bei ihren Gästen. Lieben, lieben! Lieben können! Darin liegt alle Kraft, das heißt alles Wollen und alles Können!
»Nun denn,« sagte Beauchêne neckend, »auf das sechste jetzt! Heute nacht kommt das sechste!«
Gervais hatte sich mit wankenden Schritten den drei großen Brüdern und der großen Schwester zugesellt, die im Spiele allen andern Kindern voran durch den sonnigen Garten tollten.
»Ja, gewiß, auf das sechste!« erwiderte Mathieu, während Marianne mit einem zärtlichen Kopfnicken zustimmte.
Und er wiederholte mit einer umfassenden Gebärde, die das weite Feld dort drüben umschrieb, auf welchem die heranreifende überreiche Saat im Winde wogte: »Auf das sechste, da nun Nahrung dafür da ist!«
Es war der Ausruf des willensstarken und tatkräftigen Mannes, der sich gelobte, kein Kind mehr hervorzubringen, ohne zugleich sein Teil an Lebensmitteln zu schaffen. Das schien ihm vollkommen ehrenhaft, sein Gewissen hatte seine volle Heiterkeit wiedergefunden, dank diesem Entschlusse, keine Parasiten in die Welt zu setzen. In dem Maße, wie die Familie wuchs, würde auch sein Besitz wachsen, indem er immer neue fruchtbare Felder aus Sümpfen, aus wüsten und steinigen Flächen schuf. Und die Erde und die Frau würden zusammen das Schaffenswerk vollenden, sieghaft über die furchtbarsten Verluste, immer neues Leben gebend, neue Kraft und neue Hoffnung.
Viertes Buch
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Vier Jahre gingen hin. Und während dieser vier Jahre bekamen Mathieu und Marianne noch zwei Kinder, ein Mädchen am Ende des ersten Jahres und einen Knaben am Ende des dritten. Und jedesmal, wenn die Familie sich vermehrte,
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