Fruchtbarkeit - 1
wuchs auch gleichzeitig der neu entstehende Besitz von Chantebled, das eine Mal um weitere zwanzig Hektar fetten, den Sümpfen abgewonnenen Bodens, das andre Mal um ein großes Stück Wald und Heide, welches die eingefangenen Quellen zu befruchten begannen. Das Leben setzte seinen unaufhaltsamen Eroberungszug fort, die Fruchtbarkeit verbreitete sich unter der Sonne, die Arbeit schuf unausgesetzt, unermüdlich, trotz aller Hindernisse und Kümmernisse, füllte die Lücken der Verluste aus, goß zu jeder Stunde neue Kraft, neue Gesundheit und Freude in die Adern der Welt.
Als Mathieu nun eines Tages zu Séguin kam, um den
Kauf des Stückes Wald und Heide abzuschließen, fand er Sérafine bei ihm. Séguin, der hocherfreut war, zu den festgesetzten Terminen aufs pünktlichste bezahlt zu werden, der glücklich war, dergestalt Stück um Stück dieses ertraglosen Besitzes zu verkaufen, welcher so schwer auf ihm lastete, unterzeichnete wie jedesmal fröhlich den Vertrag. Heute wollte er Mathieu sogar zum Diner dabehalten. Aber dieser hatte Eile, nach Chantebled zurückzukehren, wo die Ernte seiner harrte. Und da er sagte, daß er einen Wagen nach dem Nordbahnhofe nehmen müsse, um den Zug nicht zu versäumen, bemerkte Sérafine, die bis nun stumm und lächelnd dagesessen hatte:
»Ich habe den meinigen unten und fahre, eben in diese Richtung. Soll ich Sie hinbringen?«
Er sah sie an und wollte nicht den lächerlichen Schein erwecken, Furcht vor ihr zu haben, nachdem sie seit so langer Zeit nichts mehr miteinander gemein gehabt. Überdies war er seiner Unverletzlichkeit sicher. »Gewiß. Ich danke Ihnen sehr für ihre Liebenswürdigkeit.«
Als sie nun in dem mit grüner Seide ausgeschlagenen, rasch dahinrollenden Wagen Seite an Seite saßen, zeigte sie sich von allerliebster Offenherzigkeit, sehr herzlich und freundschaftlich.
»Ach, lieber Freund, Sie wissen nicht, welches Vergnügen Sie mir damit machen, daß Sie mir diese wenigen Minuten ungestörten Alleinseins ermöglichen. Es hat immer den Anschein, als fliehen Sie vor mir; man sollte wahrhaftig meinen, Sie haben Angst, daß ich mich auf Sie stürze. Freilich habe ich einen Augenblick davon geträumt, glückliche Stunden wieder zu erleben, deren Erinnerung mir kostbar ist. Aber, lieber Gott, das liegt ja nun alles so ferne! Und wie recht haben Sie im Grunde, daß Sie nicht Gefahr laufen wollen, jene Erinnerung durch eine neue Wirklichkeit zu verderben! Ich schwöre Ihnen, daß mein einziger Wunsch ist, Ihre Freundin zu sein, und ich füge hinzu, daß Sie der einzige Mensch sind, dem ich diesen schönen Platz in meinem Herzen bewahrt habe. Und es wäre mir eine Wohltat, wenn ich mich Ihnen anvertrauen und Ihnen erzählen könnte, was ich niemand sage, keinem Manne selbstverständlich, aber auch selbst keiner Frau. Wenn Sie lieb und gut sein wollen, so werden wir aufrichtige Freunde werden, und das wird mir sehr, sehr guttun.«
Sie war wirklich bewegt. Durch welches Wunder wurde sie diesem Manne gegenüber, der sie verschmähte, nachdem er sie besessen hatte, so weich, sie, die grausame Hetäre, die auf die Männer Jagd machte, um sie zu benutzen und dann zu den übrigen zu werfen? Sie wurde förmlich schwesterlich und fand ein ungewohntes Vergnügen daran, ihm alles zu gestehen und zu klagen.
»Ach, mein lieber Freund, ich bin nicht mehr so glücklich, als man mich glaubt; ich lebe jetzt in unaufhörlicher Furcht. Ja, Sie haben es nicht gewußt, niemand hat es gewußt: ich hätte beinahe ein Kind bekommen. Der Zufall wollte, daß eine Fehlgeburt mich nach zwei Monaten davon befreite. Aber jetzt schwebt diese Gefahr täglich über meinem Haupte. Freilich Sie, der Sie ein Weiser sind, werden mir sagen, ich soll mich wieder verheiraten, soll Kinder bekommen. Aber, was wollen Sie, das ist nun einmal nicht meine Sache, ich lebe nur für die Liebe, und lebe sogar sehr für die Liebe, das kann ich Ihnen ja sagen, der Sie es wissen müssen.«
Trotz ihrer trüben Stimmung lachte sie mit ihrem leisen, aufregenden Lachen, während ihre Augen in ihrem dreisten, von flammendroten, üppigen Haaren umgebenen Gesichte wieder erglühten. Die Wahrheit war, daß ihre heiße, sinnliche Gier wuchs, je mehr das Alter nahte. Sie gestand stolz ihre fünfunddreißig Jahre, ihre insolente Schönheit war noch unvermindert, ihre Schultern und ihre Brust waren gleich Marmor, ohne eine Runzel. Sie behauptete sogar, sich nur um so jünger, um so leidenschaftlicher, um so begehrender zu
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