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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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findet.
    Um halb sechs Uhr ging Mathieu, der sonst nie vor sechs Uhr sein Bureau verließ, zu Morange, um sein Monatsgehalt zu erheben. Es betrug dreihundertundfünfzig Franken. Aber da er im Januar einen Vorschuß von fünfhundert Franken genommen hatte, welchen er in Abzügen von fünfzig Franken zurückerstattete, erhielt er nur dreihundert. Er zählte die Noten und steckte sie mit einer freudigen Miene in die Tasche, welche den Buchhalter zu einer Frage veranlaßte.
    »Weiß Gott, sie kommen zur rechten Zeit! Ich habe meine Frau heute früh mit dreißig Sous zurückgelassen.«
    Sechs Uhr war vorüber; als sich Mathieu vor dem prächtigen Palais befand, das die Séguin du Hordel in der Avenue d’Antin besaßen. Der Großvater Séguins war einfacher Landmann in Janville gewesen. Sein Vater hatte sich dann als Armeelieferant ein beträchtliches Vermögen erworben. Und er, Sohn eines Emporkömmlings, hatte die Niedrigkeit seiner Abstammung abgestreift, führte das Leben eines reichen und eleganten Privatmanns, war Mitglied der großen Klubs, hatte eine besondere Leidenschaft für Pferde, affektierte außerdem künstlerische und literarische Neigungen, als aufgeklärter und fortschrittlicher Amateur, der bis an die äußersten Grenzen des Modernen ging. Er hatte sich den stolzen Luxus gestattet, fast ohne Mitgift ein Mädchen sehr alten Adels zu heiraten, Valentine, die letzte der Vaugelade, von dünnem Blut und engem Hirn, welche der eifrige Katholizismus ihrer Mutter in strengem Glauben und in Entbehrung der Freuden dieser Welt erzogen hatte, so daß auch er seit seiner Heirat ein strenger Katholik geworden war, weil dies zur Vornehmheit gehörte. Der Großvater, der Bauer, hatte zehn Kinder gehabt; der Vater, der Armeelieferant, hatte sich auf sechs beschränkt, und er hatte, nachdem ihm zwei geboren worden waren, ein Knabe und ein Mädchen, erklärt, daß er es dabei bewenden lassen wolle, indem er hinzufügte, es sei Missetat genug, zwei Unglückliche in die Welt gesetzt zu haben, welche nicht danach begehrt hatten, geboren zu werden.
    Zum Besitze Séguins, gehörte eine große Domäne, nahezu fünfhundert Hektar Wald und Heide, welche sein Vater bei Janville gekauft hatte, als er sich mit einem enormen Vermögen von den Geschäften zurückzog. Sein lange gehegter Wunsch war gewesen, triumphierend in das heimatliche Dorf zurückzukehren, welches er arm verlassen hatte; und er ging daran, sich ein fürstliches Schloß inmitten eines gewaltigen Parkes erbauen zu lassen, als der Tod ihn wegraffte. Séguin, in dessen Erbschaftsanteil fast die ganze Domäne gefallen war, begnügte sich damit, ihre Jagd auszubeuten, indem er Anteilscheine zu fünfhundert Franken ausgab, um die seine Freunde sich rissen, und welche Spekulation ihm eine hübsche Rente abwarf. Außer den Wäldern gab es nur unbebautes Land, Sandflächen, steinigen Boden und Sumpfland, und es war die feststehende Meinung des ganzen Bezirkes, daß der Boden keinem Bebauer je einen Ertrag liefern würde. Lediglich für den Armeelieferanten hatte der Besitz die Anziehung des romantischen Parkes besessen, den er sich als Umgebung eines königlichen Wohnsitzes erträumte; abgesehen davon, daß er sich das Recht hatte geben lassen, seinem Namen Séguin das Prädikat du Hordel hinzuzufügen, welches einer Art Turmruine, dem Hordel, entlehnt war, die sich in der Domäne befand.
    Durch Beauchêne, der einer der Jagdanteilbesitzer war, hatte Mathieu Séguin kennen gelernt und am Rande des Waldes den ehemaligen Jagdpavillon, das einsame und ruhige Häuschen entdeckt, in welches er sich dermaßen verliebt hatte, daß er es mietete und sich dahin mit den Seinigen zurückzog. Valentine, die Marianne liebenswürdig als arme Freundin behandelte, hatte die Liebenswürdigkeit so weit getrieben, sie zu besuchen, als sie eben eingezogen war; und sie war entzückt über die poetische Lage des Häuschens gewesen und hatte über ihre Unwissenheit als Besitzerin gelacht, welche nicht einmal ihren Besitz kannte. In Wirklichkeit hätte sie da nicht eine Stunde leben können. Ihr Gatte hatte sie mitten in den heißen Wirbel des Pariser literarischen, künstlerischen und eleganten Lebens gestürzt, durchlief in ihrer Gesellschaft die Literaturklubs, die Ateliers und Ausstellungen, die Theater und Vergnügungsorte, alle die glühenden Roste, auf welchen die Geister und die schwachen Herzen sich zersetzen. Er, den die Sucht verzehrte, ein Geist höherer Ordnung zu scheinen, und der

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