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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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stellte, wurde sie nach wie vor überall empfangen, als reiche, sehr schöne, sehr geliebte Frau.
    »Sie sind auf dem Lande?« fragte sie, sich wieder an Mathieu wendend.
    »Jawohl, seit einem Monat.«
    »Constance hat es mir mitgeteilt. Ich habe sie neulich bei Madame Seguin getroffen. Sie wissen ja, wir sind jetzt sehr gut miteinander, seitdem ich meinem Bruder gute Ratschläge gebe.«
    Ihre Schwägerin Constance verabscheute sie, und sie scherzte gerne darüber mit ihrer gewöhnlichen Unbekümmertheit, mit der sie sich offen über alles lustig machte.
    »Denken Sie, wir sprachen vom Doktor Gaude. dem berühmten Chirurgen, welcher ein radikales Mittel hat, um die Frauen zu verhindern, Kinder zu bekommen. Ich glaubte schon, sie werde seine Adresse verlangen. Aber sie wagte es nicht.«
    Morange fiel ein.
    »Doktor Gaude, ja freilich, eine Freundin meiner Frau hat ihr von ihm erzählt. Man sagt, daß er ganz außerordentliche Operationen vollführt, wahre Wunder. Er schneidet ruhig den Leib auf, so wie man einen Kasten aufmacht; er sieht hinein, nimmt alles fort; dann schließt er wieder zu, und die Frau ist geheilt, ohne auch nur zu wissen, was ihr geschehen ist. Es ist großartig.«
    Er gab noch weitere Details, erzählte von der Klinik im Spital Marboeuf, deren Vorstand Doktor Gaude war, eine Klinik, in die man lief, um Operationen machen zu sehen, aus Mode, so wie man in ein Theater geht. Der Doktor, welcher das Geld nicht verachtete, im Gegenteil seine reichen Klienten ordentlich zahlen ließ, hielt auch viel auf den Ruhm, setzte seinen Stolz darein, glänzende Erfolge mit den sehr gewagten Operationen zu erzielen, welche er an den armen Frauen seiner Klinik vornahm. Die Zeitungen sprachen fortwährend von ihm, er zeigte im vollen Lichte der Öffentlichkeit seine Operierten der niederen Stände, was die schönen Damen ermutigte, das Wagnis zu versuchen. Im übrigen Pessimist und wohlgemut, kastrierte er eine Frau, so wie man ein Kaninchen kastriert; und es erregte bei ihm nicht einmal einen Skrupel, eine Gewissensfrage: um so viel Unglückliche weniger, war das nicht um so besser?
    Sérafine lachte, ihre Raubtierzähne zwischen ihren blutroten Lippen zeigend, als sie das Entsetzen und die Empörung Mathieus sah.
    »Wie, mein Freund, das ist einer, der Ihrem Doktor Boutan nicht sehr ähnlich sieht, welcher, als einziges Mittel gegen alle Krankheiten, seinen Klienten empfiehlt, Kinder zu haben. Was mich wundert, ist, daß Constance diese männliche Hebamme als Arzt behält, sie, die sich jeden Morgen ängstlich befühlt, ob sie nicht schwanger sei. – Sie hat übrigens sehr recht. Pfui! Was für ein Ekel, was für eine Abscheulichkeit!« Morange lachte gefällig mit ihr, um ihr zu zeigen, wie sehr er ihre Ansichten teilte. Aber da Valérie nicht mit Reine zurückkam, wurde er ungeduldig, daß seine Frau die Frau Baronin so lange warten ließ. Und er bat um die Erlaubnis, nachzusehen, vielleicht könne er auch bei der Toilette der Kleinen helfen.
    Sobald sie allein mit Mathieu war, richtete Sérafine ihre großen heißen, goldflimmernden Augen auf ihn. Sie lachte nicht mehr mit demselben Lachen, ihr dreistes Gesicht, umgeben von dem roten Schein ihrer Haare, erhellte sich mit einer Art ironischer Lüsternheit. Ein langes Schweigen folgte, als ob sie ihn hätte in Verwirrung setzen und besiegen wollen.
    »Und meiner lieben Cousine Marianne geht es gut?«
    »Sehr gut.«
    »Und die Kinder gedeihen?«
    »Vortrefflich.«
    »Also sind Sie glücklich, ein braver Familienvater, in Ihrem abgeschiedenen Winkel?«
    »Vollkommen glücklich.«
    Sie schwieg abermals, ihn unablässig betrachtend, strahlender und herausfordernder als je: von jenem magischen Zauber, welcher die Augen glühen macht und die Herzen vergiftet. Dann sprach sie langsam wieder:
    »Es ist also zu Ende mit uns beiden?«
    Mit einer einfachen Gebärde sagte er, daß es ganz zu Ende sei. Es war lange her, daß es etwas zwischen ihnen gegeben hatte. Er war neunzehn Jahre alt gewesen, eben erst in die Fabrik eingetreten, als sie, die verheiratet und einundzwanzig Jahre alt war, sich ihm an einem Abend des Alleinseins plötzlich hingegeben hatte. Er, nahezu drei Jahre jünger als sie, war einer jener Überraschungen der Sinne erlegen, die ein Mann nicht überwinden kann. Einige Monate später, vor seiner Vermählung mit Marianne, hatte er dann formell mit ihr gebrochen.
    »Zu Ende, ganz, ganz zu Ende?« fragte sie abermals, lachend und aggressiv.
    Sie war

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