Fruchtbarkeit - 1
Schwangerschaft, die glücklicherweise durch eine Fehlgeburt beendigt worden war, ihr einen Vorgeschmack gegeben hatte, der sie jetzt noch schaudern machte, war sie eine erbitterte Hetäre, zum Verbrechen bereit, um sich vor dem Kinde zu schützen, das sie als schädliches Tier betrachtete, welches allein ihrer unersättlichen Sucht nach neuen und reizenderen Genüssen Schranken setzte. Sie sah den erstaunten Blick Mathieus auf sich gerichtet, der ihr geheimes Vergnügen bereitete, sie trieb die perverse Ironie so weit, ihm zu sagen:
»Nicht wahr, lieber Freund, ich habe Ihnen soeben vertraut, daß ich mich tröste, so gut ich kann, da meine Witwenschaft mich dazu verurteilt, nie mehr ein Kind zu haben.«
Und wieder fühlte er die Flamme auf seinem Gesichte, die vorhin da gebrannt hatte, indem er wohl verstand, was sie ihm sagen wollte, welche verabscheuungswürdige, unfruchtbare Wollust sie ihm versprach. Ah! Sich hingeben zu können, furchtlos, schrankenlos, zu jeder Zeit, einzig um der Wollust willen! Und sie selbst zeigte einen Augenblick den schmerzhaften Gesichtsausdruck einer auf dem Scheiterhaufen brennenden Verbrecherin, denn sie war die wilde und gequälte Gier, welche sich weigert, Leben hervorzubringen, und welche schließlich darunter schrecklich leidet.
Reine betrachtete sie in der Ekstase eines bereits koketten kleinen Mädchens, berauscht von den Schmeicheleien einer so schönen Dame. Zitternd vor befriedigter Eitelkeit warf sie sich in ihre Arme.
»O Madame, ich habe Sie sehr lieb!«
Bis auf den Treppenvorplatz begleiteten die Morange die Baronin de Lowicz, welcher Reine folgte. Und sie konnten gar nicht genug heiße Worte des Dankes finden, um auszudrücken, wie beglückt sie sich fühlten, daß all dieser von ihnen so angebetete Luxus gekommen war, um ihre Tochter abzuholen. Und als sie wieder in die Wohnung zurückgekehrt waren, rief Valerie, auf den Balkon eilend:
»Wir wollen sie fortfahren sehen.«
Morange, der gar nicht mehr an die Bureaustunde dachte, lehnte sich neben sie auf die Brüstung und lud auch Mathieu ein, mit hinabzusehen. Unten stand eine elegant bespannte Viktoria, mit einem prächtigen Kutscher unbeweglich auf dem Bocke. Dieser Anblick brachte die freudige Erregung des Ehepaares auf den Gipfelpunkt. Und als Sérafine, nachdem sie das Kind hatte einsteigen lassen, neben ihr Platz nahm, lachten sie laut auf vor Freude.
»Wie sie hübsch ist! Wie sie glücklich ist!«
Reine fühlte wohl in diesem Augenblicke, daß man sie betrachtete. Sie erhob den Kopf, lächelte, grüßte. Und Sérafine tat desgleichen, während das Pferd sich in Trab setzte und um die Ecke der Straße bog. Dann kam ein letzter Ausbruch.
»Sehen Sie nur! Sehen Sie nur!« wiederholte Valérie. »Sie ist so unverdorben. Mit zwölf Jahren hat sie noch die Unschuld eines neugeborenen Kindes. Und ich vertraue sie niemand sonst an… Wie? Sollte man nicht meinen, eine kleine Prinzessin, die immer ihren Wagen gehabt hat?«
Morange nahm wieder seinen Traum von Reichtum auf.
»Nun, ich hoffe, wenn wir sie einmal verheiraten, daß sie einen haben wird. Laß mich nur erst in der Nationalkreditbank festen Fuß gefaßt haben, dann sollen sich alle deine Wünsche erfüllen.«
Und sich an Mathieu wendend:
»Sagen Sie, lieber Freund, wäre es nicht ein Verbrechen, uns noch ein Kind aufzuladen? Wir sind ohnehin schon drei, und das Geld verdient sich so schwer… Man hat nur nötig, sich ein bißchen in acht zu nehmen. Was uns nicht hindert, uns innig zu lieben, nicht wahr, Valérie?«
3
Während des Nachmittags war Mathieu, der die Fabrik des Abends früher verlassen wollte, um zu seinem Hauseigentümer zu gehen, wie er es Marianne versprochen hatte, derart mit Arbeit überhäuft und in Eile, daß er Beauchêne kaum zu sehen bekam. Und er war froh darüber, denn er hatte das peinliche Gefühl, daß ein Zufall ihm ein Geheimnis enthüllt hatte, noch nicht überwunden, und fürchtete, ihn in Verlegenheit zu bringen. Allein Beauchêne schien sich gar nicht zu erinnern, daß Anlaß für irgendeine Verlegenheit vorhanden sein könnte, und wechselte unbefangen die wenigen Worte mit ihm, die sie sich zu sagen hatten. Er widmete sich mit aller seiner geistigen und körperlichen Energie der Förderung seines Geschäftes, hatte sich nie so voll Tatkraft und Umsicht gezeigt. Die Ermüdung des Morgens war verschwunden, er sprach und lachte laut, wie ein Mann, der die Arbeit nicht fürchtet und der das Leben schön
Weitere Kostenlose Bücher