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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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dabei vor Langeweile fast verging, fühlte sich wirklich wohl und auf gleichem Fuße nur bei seinen Pferden, trotz seiner Prätensionen auf die Literatur und die Philosophie von morgen, trotz seiner Sammlungen von Kunstgegenständen, für welche dem Philister der Geschmack noch nicht aufgegangen war, seiner Möbel, seiner Fayencen, seiner Zinnplastiken und seiner Bucheinbände besonders, auf die er stolz war. Und er formte seine Frau nach seinem Ebenbilde, pervertierte sie durch die Ueberspitztheit seiner Ansichten, befleckte sie durch den Verkehr mit buntgewürfelter Gesellschaft, durch Kameraderien, welche ihm von eleganter Kühnheit schienen; so daß die fromme Kleine, die man ihm anvertraut hatte, bereits auf dem Wege zu allen Tollheiten war, wohl noch zur Kommunion ging, aber sich bereits laut zur Sünde bekannte, sich täglich mehr mit dem Gedanken des Fehltritts befreundete. Auch das Schlimmste schien schließlich kommen zu sollen, denn er beging außerdem die Unklugheit, sich ihr gegenüber häufig brutal und spöttisch zu zeigen, was sie verletzte, sie von ihm loslöste, in ihr die Sehnsucht und den Traum erweckte, einmal zärtlich geliebt und mit Sanftmut und ergebener Ritterlichkeit behandelt zu werden.
    Als Mathieu das Palais betrat, dessen reichgezierte Renaissancefassade acht hohe Fenster in jedem der zwei Stockwerke enthielt, konnte er nicht umhin, mit leichter Heiterkeit zu denken: »Das ist ein Haushalt, der nicht mit dreißig Sous in der Tasche auf die dreihundert Franken monatlich wartet.«
    Das Vestibül war ungemein prächtig, ganz Marmor und Bronze. Zur Rechten befanden sich zwei Empfangssäle und der Speisesaal; zur Linken Billardzimmer, Rauchzimmer und ein Wintergarten. Im ersten Stock, gegenüber der großen Treppe, nahm das Arbeitszimmer Séguins, ein mächtiger Raum von fünf Metern Höhe, zwölf Länge und acht Breite, die Mitte des Gebäudes ein; seine Gemächer befanden sich zur Rechten desselben, zur Linken die der Frau und der Kinder. Endlich waren im zweiten Stock zwei vollständige Wohnungen für die Zeit in Bereitschaft, da die Kinder erwachsen sein würden.
    Ein Diener, der Mathieu kannte, führte ihn sogleich in das Arbeitszimmer, wo er ihn zu warten bat, da Monsieur im Begriffe sei, sich anzukleiden. Einen Augenblick konnte der Besucher sich allein glauben; und er blickte in dem weiten Räume um sich, angezogen von der wirklich prachtvollen Ausstattung, den hohen Fenstern, in welche alte Glasmalereien gefügt waren, den herrlichen Gobelins, den Möbelstoffen aus Genueser Samt und Gold und Silberbrokaten, den eichenen Bibliothekschränken, in welchen die kostbaren Bucheinbände aufgereiht waren, den Tischen, welche bedeckt waren mit Bibelots aller Art, Schmuckgegenständen, Glasarbeiten, Bronzen, Marmorskulpturen und der prachtvollen Sammlung von modernen Zinnplastiken. Und überall breiteten sich orientalische Teppiche, gab es niedrige Sitze für jede Trägheit, abgeschlossene Winkel hinter hohen grünen Pflanzen, wohin man sich zu zweien zurückziehen, sich verstecken und verschwinden konnte.
    »Ah, Sie sind es, Monsieur Froment,« sagte plötzlich eine Stimme von dem Tische mit den Zinnplastiken her.
    Und ein hochgewachsener junger Mann von etwa dreißig Jahren, den eine spanische Wand bisher verborgen hatte, ging mit ausgestreckter Hand auf ihn zu.
    »Ah,« sagte Mathieu, nach kurzem Zögern, »Monsieur Charles Santerre!«
    Er sah ihn zum zweitenmal in diesem selben Gemache, wo er ihm zuerst begegnet war. Charles Santerre, ein bereits berühmter Romanschriftsteller, der beliebte junge Dichter der Salons, hatte eine schöne Stirn, braune, schmeichelnde Augen, einen etwas zu großen, zu roten Mund, den er unter seinem assyrisch geschnittenen, wohlgepflegten Bart verbarg. Er hatte seinen Weg mit Hilfe der Frauen gemacht, deren Umgang er mit zärtlicher Sorgfalt pflegte, in der Absicht, aus ihnen so viel Nutzen für seine Karriere und sein Vergnügen zu ziehen, wie er konnte. Man sagte übrigens, er sei sehr geschmeidig, sehr unterwürfig ihnen gegenüber, solange er sie nicht besessen hatte; dann entledigte er sich ihrer in brutaler Weise, sobald er ihrer nicht mehr bedurfte. Entschlossen, unvermählt zu bleiben, aus Prinzip und aus Berechnung, sich in fremden Nestern einrichtend, einfacher Ausbeuter des Lasters der eleganten Welt, hatte er sich in der Literatur den Ehebruch zu seiner Spezialität gemacht, beschrieb einzig die sündige, elegante und raffinierte Liebe, die Liebe,

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