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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Lilie, welche die triumphierende Reinheit ist, und diese Disteln, die Pflanzen der Ruinen, welche die Unfruchtbarkeit der endlich erstorbenen Welt darstellen, die das vollkommene Glück wieder gefunden hat. Ihr ganzes dichterisches Schaffen liegt darin.«
    »Jawohl, jawohl. Sie verwöhnen mich. Sie werden mich eingebildet machen.«
    Mathieu hatte den Roman gelesen; er hatte ihn von Madame Beauchêne entlehnt, um seine Frau mit einem Buch bekannt zu machen, von dem alle Welt sprach; aber er hatte das Buch erbittert und empört aus der Hand gelegt. Dieses Mal hatte Santerre, die gewohnte Junggesellenwohnung verlassend, wo seine Weltdamen zwischen fünf und sieben Uhr außerhalb des Ehebettes heimliche Genüsse suchten, sich zur reinen Kunst erheben wollen, zur körperlosen, symbolistischen Lyrik. Er erzählte die subtile Geschichte einer Gräfin, AnneMarie, die, um einem plumpen und sinnlichen Gatten zu entgehen, sich nach der Bretagne an die Seite eines jungen Künstlers von göttlicher Phantasie, Norbert, flüchtet, welcher sich die Aufgabe gestellt hat, die Kapelle eines Nonnenklosters mit seinen Visionen zu schmücken. Dreißig Jahre dauert sein Schaffen als transzendentaler Künstler, der seine Inspirationen im Zwiegespräch mit Engeln empfängt, und der Roman war nichts andres als die Geschichte dieser dreißig Jahre, seiner Liebe während dreißig Jahren in den Armen AnneMaries, in einem Austausch unfruchtbarer Zärtlichkeiten, während welcher ihre Schönheit auch nicht von einer Runzel beeinträchtigt wird, sondern ebenso frisch, ebenso jung ist nach diesen dreißig Jahren der Unfruchtbarkeit, wie an dem ersten Tage ihrer Liebe. Und um die Lehrmeinung des Buches zu unterstreichen, waren einige Nebenpersonen aufgestellt, Bürgersfrauen, Gattinnen und Mütter aus dem benachbarten kleinen Städtchen, welche in physischer und geistiger Verkommenheit, in tierischer Abgelebtheit endigten.
    Was Mathieu empörte, das war diese blödsinnige und verbrecherische Theorie der Liebe ohne Kind, des Zusprechens aller körperlichen Schönheit, aller seelischen Vorzüge an die Jungfrau. Und er konnte sich nicht enthalten, dem Autor zu sagen:
    »Ein sehr interessantes und bemerkenswertes Buch. Aber was geschähe, wenn Norbert und AnneMarie ein Kind bekämen, wenn sie schwanger würde?«
    Santerre unterbrach ihn, erstaunt, verletzt.
    »Schwanger? Wird eine Frau schwanger, wenn sie von einem Manne von Welt geliebt wird?«
    »Wissen Sie, was mich empört?« sagte Séguin, sich in einen Fauteuil werfend, »das ist die widersinnige Anklage, die man gegen den Katholizismus erhebt, daß er diese Wucherung der Gattung begünstige, welche eine Unsauberkeit und eine Schande ist. Das ist nicht wahr, und das haben Sie in Ihrem Buche sehr richtig aufgezeigt. Sie haben da, als guter Katholik, einige entscheidende Seiten geschrieben, zu denen ich Sie beglückwünsche.«
    »Gewiß habe ich als guter Katholik geschrieben,« sagte Santerre, sich auf eine Chaiselongue hinstreckend. »Zeigen 4? Sie mir doch im Neuen Testament das ›Wachset und vermehret Euch‹ der Genesis. Jesus hat kein Vaterland, kein Eigentum, keinen Beruf, keine Familie, keine Frau, kein Kind. Er ist die Unfruchtbarkeit selbst. Die ersten christlichen Sekten hatten daher auch einen Abscheu vor der Ehe. Für die Heiligen war das Weib etwas Unreines, bedeutete es Qual und Verderbnis. Die absolute Keuschheit war ihnen der erhabenste Zustand, ihr Ideal der betrachtende und unfruchtbare Mann, der einsame Egoist, der nur seinem individuellen Heile lebt. Und es ist eine Jungfrau, die das Ideal aller Frauen ist, das Ideal selbst der Mütterlichkeit. Erst später wurde die Ehe vom Katholizismus eingeführt, als morale Schutzinstitution, um den Begattungstrieb in geordnete Bahnen zu lenken, da weder die Männer noch die Frauen Engel sein können. Sie wird toleriert, da sie die unvermeidliche Notwendigkeit ist, der Zustand, der, unter gewissen Bedingungen, den Christen erlaubt ist, welche nicht Heroismus genug besitzen, vollständige Heilige zu sein. Aber auch heute, wie vor achtzehn Jahrhunderten, berührt der Mann des Glaubens und der Gnade das Weib nicht, verdammt sie und vermeidet sie. Es sind einzig die Lilien Mariens, die im Himmel duften.«
    Machte er sich lustig? Es war in seiner Stimme etwas wie ein leichter Spott, den sein Hörer nicht zu vernehmen schien. Dieser stimmte vielmehr lebhaft ein, erwärmte sich.
    »Jawohl, jawohl, so ist es! Die Schönheit ist immer sieghaft, und

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