Fruchtbarkeit - 1
die stets unfruchtbar bleibt. Er hatte anfangs keinerlei Illusion in bezug auf seine Bücher gehabt, es war dies lediglich ein angenehmer und einträglicher Beruf, den er aus kühler Erwägung ergriffen hatte. Allmählich aber durch seinen Erfolg hypnotisiert, hatte er sich von seiner Eitelkeit einreden lassen, daß er ein Dichter sei. Und er gebärdete sich nunmehr wie einer, der in weißer Krawatte eine in Todeskrämpfen liegende Welt malt, bekannte sich zu einem aller Illusionen beraubten Pessimismus, zur Verneinung aller Lust durch gegenseitige Enthaltung, aus welcher er die Religion des letzten Glückes, des Glückes des Nichtseins machte. »Séguin wird gleich kommen,« sagte er mit vollendeter Liebenswürdigkeit. »Ich habe den Einfall gehabt, ihn und seine Frau mitzunehmen, um in einem Kabarett zu dinieren, und sie dann in eine kleine Premiere zu führen, wo es heute Skandal und Ohrfeigen geben wird.«
Mathieu bemerkte jetzt erst, daß Santerre sich bereits im Gesellschaftsanzuge befand. Sie unterhielten sich weiter; Santerre zeigte ihm eine neue Zinnplastik, eine kleine, nackte, magere, langlinige Frauengestalt, mit dem Gesichte nach abwärts liegend, den Kopf unter den Haaren vergraben und offenbar schluchzend – ein Meisterwerk, sagte er, der Inbegriff des ganzen menschlichen Elends, das gefallene einsame Weib, das endlich dem Manne zur Beute geworden. Es war Santerre, der, zum Freund und Intimus des Hauses geworden, diesem vollends jenen Wahnwitz der Kunst und Literatur einimpfte, dessen Einfluß schließlich das einfachste Leben des Alltags verdarb und verdrehte.
Aber nun erschien Séguin, gleichen Alters wie Sanier, größer und schlanker, sehr blond, mit gebogener Nase, grauen Augen, dünnen Lippen und zierlichem Schnurrbart. Er war ebenfalls im Gesellschaftsanzug.
»Ja, mein Lieber,« sagte er ohne Hast, mit dem kleinen Lispeln, das er affektierte, »Valentine hat sich in den Kopf gesetzt, ein neues Kleid anzuziehen. Fassen wir uns in Geduld, wir werden eine Stunde zu warten haben.«
Sobald er Mathieu bemerkte, entschuldigte er sich mit außerordentlicher Höflichkeit, kehrte mit Uebertreibung seine kalte Korrektheit, sein vornehmes Fernhalten hervor. Und als jener, den er »seinen lieben Mieter« nannte, ihm den Anlaß seines Besuches auseinandersetzte, das Loslösen der Zinkdachung infolge der letzten Regen, gab er sofort die Zusage, daß der Klempner von Janville die nötigen Lötarbeiten vornehmen solle. Aber nach neuerlichen Erklärungen, nachdem er begriffen hatte, daß das ganze Dach erneuert werden müsse, so sehr sei es abgenutzt, vergaß er plötzlich seine vornehmen und leutseligen Manieren, protestierte mit einiger Erregung, erklärte, daß er unmöglich auf eine solche Reparatur eine Summe verwenden könne, welche das lumpige bißchen Mietzins eines Jahres von sechshundert Franken übersteigen würde.
»Verlöten, meinetwegen,« rief er, »aber nicht mehr. Ich werde dem Klempner schreiben.« Und um das Thema abzubrechen, fügte er hinzu:
»Warten Sie, Monsieur Froment, ich werde Ihnen, der Sie ein Mann von Geschmack sind, ein Prachtstück zeigen.«
Er empfand tatsächlich vor Mathieu eine gewisse Hochachtung, kannte ihn als einen Menschen von selbstsicherer, stets im Gestalten begriffener Intelligenz. Dieser seinerseits lächelte, ließ sich diese Abschweifung gefallen, bei sich jedoch fest entschlossen, den Platz nicht zu verlassen, ohne die Erneuerung des Daches durchgesetzt zu haben. Er nahm ein prächtig gebundenes Buch, welches der Hausherr einem Bibliothekschrank entnommen hatte und ihm nun weihevoll darreichte. Auf dem Deckel in weißem Leder war eine große Lilie aus Silber eingelegt, umgeben von einem Strauß violetter Distelblüten. Und der Titel des Buches, »Die unzerstörbare Schönheit«, war hoch hinaufgerückt, wie in ein Stück Himmel.
»Ah, das ist von herrlicher Erfindung und Ausführung!« rief Mathieu, wirklich entzückt. »Man macht jetzt Einbände, die wahre Juwele sind.«
Er bemerkte den Titel.
»Aber das ist ja der letzte Roman Monsieur Santerres!«
Séguin blickte mit einem Lächeln seitwärts auf den Schriftsteller, der sich genähert hatte. Und als dieser seinerseits geschmeichelt das Buch betrachtete, sagte er:
»Lieber Freund, der Buchbinder hat mir den Band heute morgen gebracht, und ich wartete eine Gelegenheit ab, um Ihnen die Ueberraschung zu bereiten, es Ihnen zu zeigen. Es ist die Perle meiner Sammlung. Was sagen Sie zu der Idee? Diese
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