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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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diese schmutzige Sache denken, ohne daß sich alles in ihr empörte. Freilich hätte sie nicht gewollt, daß sie selber dieses Kind von ihm bekäme; aber welche Schmach, welche Abscheulichkeit, daß dieses Mädchen es von ihm bekommen hatte! Wohin hatte man es geworfen? Lebte es? In welchem Schmutzwinkel? Sie war außer sich über diese Mutterschaft, die durch Ausschweifung und Zufall entstanden war, diese Mutterschaft, die er ihr gestohlen hatte, und von der sie zu ihrer Überraschung entdeckte, daß ein so schneidendes Bedauern sie ihretwegen durchfuhr, während sie sich ihr doch mit so beharrlichem Eigensinn widersetzt hatte. Es schien, daß in dem Maße, als sie sich angewidert von ihrem Manne zurückzog, die Mutter in ihr gewachsen war, alle die eifersüchtige Liebe empfand, von der Glut der Hingabe, der Selbstentäußerung, der Leidenschaft erfaßt wurde, die ihr als Gattin stets fremd geblieben war. So kam es, daß sie nun ihr ganzes Leben ihrem angebeteten Maurice hingab, einen Gott aus ihm machte, ihm selbst ihre gerechte Entrüstung opferte. Sie hatte bei sich ausgemacht, daß er unter der Unwürdigkeit seines Vaters nicht leiden solle, und ihm zuliebe hauptsächlich war es, daß sie diese ihre stolze Festigkeit bewahrte, sich stellte, als wüßte sie von nichts, ihrem Manne nie einen Vorwurf machte, ihm gegenüber vor der Welt die ihn achtende Gattin blieb, die sie stets gewesen war. Selbst allein mit ihm, selbst im Schlafzimmer hielt sie an ihrem Schweigen fest, vermied sie die Auseinandersetzung, den Streit. Die sittenstrenge Gattin, die anständige Frau, weit entfernt, an Wiedervergeltung, an einen Geliebten zu denken, schien im Gegenteil, in ihrem Widerwillen gegen die Zügellostgleit der Männer, sich noch enger in ihr Haus zu verschließen, noch fester an ihren Sohn zu klammern, der ihr ebenso Schutz war wie die Kühlheit ihres Herzens und ihres Blutes. Und verletzt, abgestoßen, ihre Verachtung verbergend, harrte sie mit starkem, heißem Glauben auf den Triumph dieses Sohnes, der das Haus reinigen und retten würde – überrascht und beunruhigt an den Tagen, wo unversehens, ohne erkennbare Ursache, der erkältende Hauch aus dem Unbekannten sie berührte, sie mit Reue über irgendein altes Vergehen erfüllte, dessen sie sich nicht mehr erinnerte.
    Constance war es, die zuerst wieder auf die vertraulichen Mitteilungen zurückkam, die Madame Angelin ihr gemacht hatte. Sie zeigte sich sehr interessiert, sehr mitfühlend. Und als die betrübte unfruchtbare Frau, die sich vor Verlangen nach einem Kinde verzehrte, ihr gestand, daß jeder Besuch bei der Hebamme eine neue Hoffnungslosigkeit bedeute, schien sie nach einem Troste zu suchen, bot liebevoll ihren Beistand an.
    »Wollen Sie mir gestatten, liebe Freundin, Sie einmal zu begleiten? Vielleicht sagt sie mir, was sie Ihnen nicht zu sagen wagt.«
    Ueberrascht schüttelte Madame Angelin mit trüber Verneinung den Kopf.
    »Ach, wozu? Sie würden nicht mehr erfahren als ich. Es täte mir sehr leid, Ihnen nutzloserweise Ihre Zeit zu rauben.«
    »Durchaus nicht! Meine Zeit steht ganz zu Ihrer Verfügung, wo es sich um eine so ernste Sache handelt. Und ich verhehle Ihnen nicht, daß ich neugierig bin, mit dieser Hebamme zu sprechen, so überraschende Dinge haben Sie mir erzählt.«
    Somit verabredeten sie sich, daß sie am kommenden Donnerstagnachmittag zusammen zu Madame Bourdieu in die Rue Miromesnil gehen wollten.
    An diesem selben Donnerstag war Mathieu nach Paris gekommen, um bei Beauchêne eine Dreschmaschine zu besichtigen, und ging gegen zwei Uhr nachmittags durch die Rue La Boetie, als er Cécile Moineaud begegnete, die ein kleines, sorgfältig gebundenes Paket trug. Sie war nun bald einundzwanzig Jahre alt, noch immer mager, sehr blaß und sehr schwach seit ihrer Operation, aber ohne ernste Beschwerden. Er hatte ihr von den wenigen Monaten, die sie unter Schmerzen auf dem Hofe zugebracht hatte, eine warme Zuneigung bewahrt, zu welcher sich später ein inniges Mitleid gesellte, als er Zeuge ihres Verzweiflungsausbruches gewesen war, daß sie nicht mehr Mutter werden konnte. Und seitdem sie das Spital verlassen hatte, nahm er sich ihrer an, suchte ihr eine leichte Arbeit, verschaffte ihr eine solche bei einem befreundeten Fabrikanten, der ihr Schachteln zu kleben gab, die einzige, mühelose Arbeit, die ihre armen schwachen Hände leisten konnten, Kinderhände, die nicht gewachsen waren und gleich ermüdeten. Seitdem sie nicht mehr Weib war, hätte man

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