Fruchtbarkeit - 1
Gleichwohl war ihr Sohn Maurice, nach einer zarten Jugend, die viele Pflege erfordert hatte, nunmehr ein hübscher junger Mann von neunzehn Jahren geworden, immer noch etwas blaß, aber von kräftigem Aussehen. Er hatte seine Studien vor kurzem ziemlich erfolgreich beendigt, er half seinem Vater bereits in der Leitung der Fabrik; und seine Mutter, die ihn vergötterte, hatte nie hochfliegendere Hoffnungen auf den Kopf dieses einzigen Sohnes gesetzt als nun, wo sie ihn bereits als Gebieter dieses Hauses sah, dessen Reichtum er noch vergrößern würde, um ein König an Besitz und Macht zu werden.
Dieser Kultus Constances für den Sohn, den Helden der Zukunft, wuchs um so mehr, je mehr der Vater von Tag zu Tag verfiel, ihre Verachtung und ihren Widerwillen erweckte. Es war ein unvermeidlicher Niedergang, den sie nicht aufhalten konnte, dessen Fortschritt sie unglückseligerweise selbst beschleunigt hatte. Anfangs, als sie über seine ersten Seitensprünge die Augen zugedrückt hatte, ihn widerspruchslos die Nächte mit Dirnen hatte verbringen lassen, wollte sie lediglich seine zu derbe Sinnlichkeit, die sie aufrieb, ablenken und zugleich die Wahrscheinlichkeit des unglücklichen Zufalls eines Kindes so viel als möglich vermeiden. Gleichwohl hatte sie ihm lange willfahrt, aus Pflichtgefühl, auch um ihn nicht ganz zu verlieren, um ihm nicht wieder gutzumachende Sünden zu ersparen, bis eines Tages der unvermeidliche eheliche Zwiespalt ausgebrochen war. Er war immer brutaler geworden, brachte von draußen unerhörte Ansprüche mit, so daß sie sich endlich empörte, angewidert von diesen Dingen, die sie so kalt ließen, übrigens auch schon leidend unter dem allzu häufigen Aufflackern der Sinnlichkeit, welche reichliche Mahlzeiten, starke Getränke und Zigarren bei ihm hervorriefen. Er war zweiundvierzig Jahre alt, er trank zu viel, aß zu viel, rauchte zu viel. Er war dick und kurzatmig geworden, hatte wulstige Lippen und schwere Augenlider, kleidete sich nicht mehr sorgfältig wie einst, nahm einen ordinären Ton an, erging sich in geschmacklosen Scherzen, in derber Lustigkeit. Aber besonders verrohte er auswärts, verfiel der niedrigsten Ausschweifung, die ihn stets angezogen hatte, ergab sich immer mehr der Gier nach leichten Weibern, die sich ganz und ohne Umstände geben. Nun, wo er zu Hause beinahe vollständig entwöhnt war, lief er den gemeinsten Straßenabenteuern nach. Er verschwand, schlief außer Hause, log durchsichtig, nahm sich nicht einmal die Mühe zu lügen. Wie hätte sie sich ihm entgegenstellen sollen, sie, die nicht einmal den Mut hatte, sich der Widerwärtigkeit seiner Annäherung ganz zu entziehen, um den Bruch nicht zu einem vollständigen zu machen? Sie fühlte sich ohnmächtig, sie hatte ihn schließlich ganz frei gelassen, ohne daß etwas von diesem Leben unsauberer Genüsse ihr unbekannt blieb. Und das schlimmste war für sie, daß die fortschreitende Zerrüttung dieses kräftigen Mannes, die Art physischen und geistigen Verfalls, dem er infolge seiner Ausschweifungen zum Zwecke der Unterschlagung zutrieb, in schrecklicher Weise auf die Fabrik zuwirkte, deren Gedeihen ernstlich gefährdet wurde. Der ehemalige unverwüstliche Arbeiter, der energische und scharfsichtige Chef wurde stumpf und schwerfällig, verlor die Witterung für glückliche Operationen, fand nicht mehr die Kraft für große Unternehmungen. Er blieb des Morgens lange im Bett, setzte drei oder vier Tage hindurch keinen Fuß in die Werkstätten, und ließ die Unordnung, die Verschleuderung dermaßen einreißen, daß die einst so triumphierenden Bilanzen von Jahr zu Jahr einen stärkeren Niedergang zeigten. Welch ein Ende das für diesen Egoisten, diesen Genußmenschen von so fröhlicher, geräuschvoller Tatkraft, der sich stets zu dem Grundsatz bekannt hatte, daß das Geld, das durch die Arbeit andrer sich mehrende Kapital, die einzige erstrebenswerte Macht sei, und der nun, eine gerechte Ironie des Geschicks, durch das Zuviel an Geld und Genuß dem langsamen Verfall, der schrecklichsten Paralyse anheimfiel!
Eine schwere Kränkung widerfuhr Constance und erfüllte sie mit tiefinnerem Abscheu gegen ihren Gatten. Durch anonyme Briefe, die niedrige Rache entlassener Bediensteter, erfuhr sie von dem Verhältnis Beauchênes mit Norine, der Fabrikarbeiterin, daß sie von ihm schwanger geworden war und im geheimen einen Knaben geboren hatte, den man hatte verschwinden lassen. Und nach zehn Jahren konnte sie noch heute nicht an
Weitere Kostenlose Bücher