Fruchtbarkeit - 1
die Verlegenheit der ersten Erklärungen hinwegzukommen. Er führte den Arzt zu seiner Frau hin, die sehr bleich und sehr ernst dastand.
»Doktor, da ist eine Dame, die wieder eine Neuvermählte werden will. Sie will ein Kind, und Sie müssen ihr sagen, wie man das macht.«
Der gute Doktor ging willig auf den Scherz ein. Er zeigte wie immer sein rundes, wohlwollendes Gesicht, seinen gütigen Blick, ohne im geringsten den Anschein zu haben, über eine Katastrophe zu triumphieren, die er lange vorausgesehen hatte. Er erwiderte mit fröhlichem Lachen:
»Ein Kind, vortrefflich! Aber Sie wissen ebensogut als ich, wie man das anstellt.«
»Wahrlich nein, Doktor!« erwiderte Beauchêne in seinem leichtfertigen Tone. »Oder aber wir haben es vergessen, denn seit nun bald einem Jahre tun wir alles Nötige, um eins zu kriegen, und das liebe Kleine beharrt eigensinnig darauf, nicht zu kommen.«
Und in der eiteln Sucht, aus der Niederlage den guten Ruf seiner Manneskraft zu retten, war er so unvorsichtig, hinzuzufügen:
»Ich glaube, es muß etwas bei der Mama aus den Fugen geraten sein, und wir wenden uns nun an Sie, damit Die danach sehen und es wieder in Ordnung bringen.«
Verletzt von der Wendung, die er der Sache gab, ergriff Constance, die bisher geschwiegen hatte, mit geröteten Wangen und in zornigem Tone das Wort. »Mit welchem Rechte beschuldigst du mich? Verstehst du etwas davon? Doktor, nach meiner Ansicht ist es der Vater, den Sie untersuchen und behandeln sollten.«
»Verzeihe, mein Kind, ich wollte dir nicht weh tun.«
»Weh tun! Du lieber Gott, was liegt daran. Ich weine jetzt ganze Tage lang. Aber ich will nicht, daß du damit beginnst, mir die Schuld an unserm Kummer zuzuschieben. Und da du mich dazu herausforderst, so muß ich wohl den Doktor aufklären, damit er wenigstens weiß, woran er mit dir ist.«
Vergebens versuchte Beauchêne sie zu beruhigen. Sie geriet in immer heftigere Erregung, verlor alle Selbstbeherrschung.
»Glaubst du, daß ich erst seit heute weiß, was für ein Gatte du gewesen bist, was für ein Gatte du noch immer bist? Ah, mein Lieber, ich war immer genau über deine abscheuliche Lebensweise unterrichtet!«
Er wollte sie am Sprechen hindern, wollte ihre Hände ergreifen, die heftige Szene fürchtend, die er kommen fühlte.
»Schweig doch! Das ist ja unsinnig! Was soll das alles?«
»Rühr mich nicht an, du flößest mir Abscheu ein! … Weil etwa der Doktor da ist? Aber du hast es ja selbst gesagt, ein Arzt ist ein Beichtvater, man sagt ihm alles, man zeigt ihm alles. Und glaubst du etwa, daß nicht auch er deine saubere Aufführung kennt? Alle Welt kennt sie ja! Wenn ich denke, daß du zwanzig Jahre lang an meine Blindheit, an meine Dummheit hast glauben können! Und das, weil ich schwieg!«
Sie hatte sich vor ihn hingestellt, ihre kleine schwarze Gestalt bebte vor Wut. In der Tat, sie hatte zwanzig Jahre die Heldenkraft gehabt, zu schweigen. Nicht nur hatte sie sich nie vor der Welt Verdacht oder Empörung anmerken lassen, nie die Haltung der verlassenen, gereizten Frau angenommen; sondern sie hatte sich auch in der Verschwiegenheit des ehelichen Schlafzimmers jeden Vorwurfs, jeden Wechsels ihrer Laune enthalten. Ihr Stolz, ihr Selbstgefühl hatten sie so aufrechterhalten, stumm und verachtungsvoll. Und dann, was lag ihr an dem unwürdigen Vater, den sie nicht liebte, dessen zu derbe Liebkosungen sie verletzten und abstießen? Hatte sie nicht ihren Sohn, den Gott, zu dem sie sich geflüchtet hatte, der ihr Leben, ihr Glück, ihr Triumph geworden war? Sie wäre gestorben, ohne sich herabzulassen, sich zu beklagen; und damit sie ihr langes Stillschweigen breche, mußte der Arm des Schicksals sie treffen, ihr das Kind entreißen, das ihr die Kraft gegeben hatte, alles zu ertragen, und sie gebrochen, steuerlos, allen Stürmen zur willenlosen Beute zurücklassen. Da zerschellte dieses Stillschweigen, und alles kam zum Vorschein, der Zusammenbruch schleuderte die Geheimnisse von zwanzig Jahren an die Oberfläche, ihre Verachtung, ihren Ekel, alles, was sie so lange verborgen und was sie so lange zum Ersticken erfüllt hatte.
»Ja, mein Lieber, ich wußte, daß du den Weibern nachliefst, sofort, nicht drei Monate nach unsrer Verheiratung. Oh, es war nicht von Bedeutung, bloß so kleine Seitensprünge, solche, die die klugen Frauen dulden. Aber gar bald ist es ärger geworden, du hast angefangen schamlos zu lügen, eine Lüge hat dich immer zu einer neuen gezwungen. Und du bist
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