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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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aus ihm geworden sei, ob es gesund sei, ob es ihrem Manne ähnlich sehe.
    »Ich versichere Ihnen, mein lieber Mathieu,« fuhr sie fort, daß Sie ein gutes Werk tun, wenn Sie mir antworten. Lebt es? Sagen Sie mir nur, ob es lebt. Aber sagen Sie mir die Wahrheit! Wenn es gestorben wäre, so glaube ich, daß ich ruhiger würde. Und doch, Gott weiß, daß ich ihm nichts Böses wünsche!«
    Da sagte ihr denn Mathieu, den sie nachgerade sehr dauerte, die einfache Wahrheit.
    »Da Sie also im Namen Ihrer Seelenruhe darauf bestehen, und da dies ganz unter uns bleiben soll, ohne daß der Frieden Ihrer Ehe dadurch gestört wird, so will ich Ihnen in Gottes Namen sagen, was ich weiß; aber ich wiederhole, was ich weiß, ist sehr wenig. Das Kind wurde vor meinen Augen dem Findelhaus übergeben. Seither hat die Mutter nie nach dem Kinde gefragt und daher auch nichts von ihm erfahren. Ich brauche nicht hinzufügen, daß Ihr Gemahl sich ebenfalls in vollkommener Unwissenheit befindet, denn er hat sich stets geweigert, sich um dieses Kind zu kümmern. Ob es also noch lebt, wo es sich befindet, das kann ich Ihnen nicht sagen. Man müßte umfassende Nachforschungen anstellen. Wenn Sie aber meine Ansicht wollen, so geht sie dahin, daß große Wahrscheinlichkeit besteht, daß es tot ist, so groß ist die Sterblichkeit unter diesen armen kleinen Geschöpfen.«
    Sie sah ihn durchdringend an. »Sie sagen mir die ganze Wahrheit, verbergen mir nichts?«
    Und da er es ihr nochmals beteuerte, sagte sie:
    »Ja, ja, ich vertraue Ihnen… Es wäre tot, das ist also ihre Meinung? Ach, zu denken, daß so viele dieser Kinder sterben, während es Frauen gibt, die so glücklich wären, eines zu retten, eines zu besitzen!… Nun, wenn es auch nicht Gewißheit ist, so ist es doch eine Auskunft. Ich danke Ihnen.«
    Während der folgenden Monate war Mathieu mehrere Male wieder mit Constance allein; aber sie kam nie mehr auf diesen Gegenstand zurück. Sie schien wieder nichts wissen, sich zwingen zu wollen, zu vergessen. Gleichwohl ahnte er, daß ihre Gedanken sich davon nicht losmachen konnten, und es war auch nicht schwer zu bemerken, daß das Verhältnis der Eheleute sich immer mehr verschlimmerte, je mehr sie die Hoffnung verloren, ein Kind zu bekommen, welche Hoffnung allein sie einander wieder genähert hatte. Wenn sie auch vor der Welt noch den Anschein guten Einvernehmens aufrechterhielten, so sprachen doch deutliche Anzeichen für die allmähliche Entfremdung, für den abermaligen Bruch, der von Woche zu Woche weiter klaffte. Beauchêne hatte sein Leben außer dem Hause fast vollständig wieder aufgenommen, je mehr er sich gegen die ihm so wenig Vergnügen bietenden ehelichen Pflichten auflehnte, die um so unangenehmer waren, als sie vollkommen erfolglos blieben. Constance ergab sich trotz allem nicht, hielt ihn noch immer mit der Zähigkeit einer Kämpferin: in den Blicken, mit denen sie ihn umfaßte, verriet sich die verzweifelte Entschlossenheit, ihn nicht anders aus den Händen zu lassen als tot. War es denn möglich, waren sie bei der Unfruchtbarkeit der Angelin angelangt? Sollte sich alles das erfüllen, was sie geahnt, gefürchtet hatte, sollte ihre Ehe derselben entsetzlichen Leere anheimfallen, in der sie ihre Freundin und deren Mann zugrunde gehen sah? Der Gedanke an diese Unfruchtbarkeit war ihr unerträglich, schien ihr eine Schmach, ein Schandfleck, ein Gebrechen. Sie wies ihn weit von sich, was ihre Person betraf. Ihr Mann vielleicht, denn er hatte seine Kraft in einem ausschweifenden Leben vergeudet. Und es kam die Stunde, wo der eheliche Streit wütend ausbrach, wo sie, in dem endlich überquellenden Zorne über ihre vergeblichen Umarmungen, sich gegenseitig der Unfruchtbarkeit beschuldigten, die ihr Kummer war.
    Beauchêne sagte, daß es hierfür eine Behandlung gebe. Aber an wen sich wenden? Als er Boutan nannte, weigerte sich Constance zuerst, denn sie fürchtete ihn, sie fürchtete, daß er über sie triumphieren werde, die seine Theorien so lange bekämpft hatte. Dann willigte sie ein, weil ihre Prüderie sich vorerst nicht entschließen konnte, sich von einem andern Arzt untersuchen zu lassen als von dem Geburtshelfer, der sie kannte.
    Als Boutan kam, fand er die Gatten in dem kleinen gelben Salon, den er sehr gut aus der Zeit kannte, da er so häufig zu dem kränklichen kleinen Maurice gekommen war. Nachdem die Türen sorgfältig geschlossen worden waren, wollte Beauchêne sogleich einen scherzhaften Ton anschlagen, um über

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