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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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auf die Straße geraten, an die niedrigsten Dirnen, du bist nachts zu mir zurückgekehrt, während ich schlief, manchmal betrunken, nach den gemeinsten Lastern duftend … Sage nicht nein, versuche nicht auch jetzt noch zu lügen! Du siehst, daß ich alles weiß!«
    Sie ging auf ihn zu, so daß er zurückweichen mußte, ließ ihm nicht Zeit, auch nur ein Wort einzuwerfen.
    »Dieses Kind also, das du mir nicht mehr verschaffen kannst, du bist hingegangen und hast es andern verschafft, allen den Dirnen, die sich dazu hergegeben haben. Die Erstbeste, die Vorübergehende, konnte eines haben, wenn ihr danach gelüstete. Du hast das in den Wind gestreut, zu deinem Vergnügen, und wenn etwas daraus hervorwuchs, in Gottes Namen! Du mußt deren ja überall haben, solcher Kinder! Wo sind sie? Wo sind sie, frage ich?… Was, du lachst, du hast kein Kind gehabt? Und das von dieser Norine, dieser Arbeiterin, die du niedrig genug warst, hier aufzugabeln, neben mir, in deiner Fabrik? Hast du nicht für ihre Wochen bezahlt, hast du das Kind nicht ins Findelhaus bringen lassen? Bemühe dich nicht, weiter zu lügen, du siehst, daß ich alles weiß? Wo ist es also, dieses? Wo ist es, sag es doch!«
    Beauchêne scherzte nicht mehr, er war bleich geworden, seine Lippen bebten. Er hatte zuerst mit einem Blicke den Beistand Doktor Boutans angerufen, der sich jedoch begnügt hatte, sich abwartend niederzusetzen. Wie vielen solchen Szenen, und noch brutaleren und gefährlicheren, hatte der Doktor schon beigewohnt, als natürlicher Vertrauter der geheimen Dramen, die aus den Unterschlagungen folgen! Er hatte es sich daher auch zur Regel gemacht, den Zorn der Leute reden zu lassen, da er aus Erfahrung wußte, daß dies die einzige Gelegenheit sei, die Wahrheit von ihnen zu erfahren, denn sie logen immer, wenn sie kalten Blutes waren.
    »Meine liebe Constance,« sagte endlich Beauchêne, den schmerzlich Getroffenen spielend, »du hast wirklich kein Erbarmen, willst du uns denn beide verderben? Wenn ich Fehler begangen habe, so glaube mir, daß ich sie bitter bereue. Aber du darfst mir doch nicht alles aufbürden, unser ganzes Unglück nur mir allein zuschreiben. Du wirfst mir vor, daß ich außer Haus gegangen bin; hast du mich nicht gehen lassen? Es ist ein wenig auch deine Schuld.«
    »Wie, meine Schuld?«
    »Gewiß. Du gestehst es selbst, du hast die Augen zugedrückt, du hast meine Verirrung geduldet. Konntest du mich nicht zurückhalten? Wer sagt dir, daß Ermahnungen, Zärtlichkeiten deinerseits mich nicht gebessert hätten? … Siehst du, der Mann, der zu Hause nicht die liebenswürdige, hingebende Frau findet, die ihm zum Leben nötig ist, besonders wenn er ein liebebedürftiger Mensch ist wie ich, hat manchmal einige Entschuldigung für sich, wenn er auf Abwege gerät. Es ist deine Schuld.«
    »Meine Schuld! Habe ich mich dir je verweigert?«
    »Oh, es gibt eine Art, sich zu verweigern, indem man sich gibt. Das läßt sich nicht nachweisen, das muß man fühlen… Und wenn du mich schon zwingst, rücksichtslos zu sein, es steht einer Frau schlecht an, ihrem Mann seine Geliebten vorzuwerfen, wenn sie es nicht verstanden hat, das zu tun, was nötig war, um ihn für sich allein zu behalten. Ich bin kein Heiliger. Du hättest mich fesseln, mich in Anspruch nehmen, es so einrichten sollen, daß ich nicht dazu gelange, an ein andres Vergnügen zu denken.«
    Sie hörte empört, außer sich, zu.
    »Das ist ja gemein, was du mir da sagst! Weil du also nicht genug Vergnügen bei deiner Frau fandest, bist du hingegangen und hast es bei allen Straßendirnen gesucht? Und was für ein Vergnügen? Weiß ich es denn, habe ich nicht meine Pflicht erfüllt? Mache es mir doch zum Vorwurf, daß ich anständig war, daß ich nicht schamlos war, daß ich nicht eine jener Elenden war, die aus dir den herabgekommenen, verdummten und impotenten Menschen gemacht haben, der du geworden bist!«
    Er unterbrach sie mit einer heftigen Gebärde; ihre Bezeichnungen trafen ihn wie Peitschenhiebe, er war auf dem Punkte, alles herauszusagen, sich den Widerwillen vom Herzen zu reden, den ihm ihre Magerkeit, ihre trockene Haut, ihr bleierner Teint stets verursacht hatten. Eine solche Frau, »diese Besenstange«, so ungeschickt in der Liebe, so kalt, daß sie sich in seinen Armen nie erwärmt hatte, ohne Lächeln, ohne Glückseligkeit, hatte sie das Recht, ihm alle diese Vorwürfe ins Gesicht zu schleudern?
    »Nun, schlage mich jetzt noch,« rief sie, »das würde allem die

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