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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Krone aufsetzen! … Und wenn es dir nicht recht war, wenn du es anders wolltest, warum hast du es mir nicht gesagt? Wir wollten kein Kind, so waren wir wohl gezwungen, die nötige Vorsicht anzuwenden. Im übrigen hast du mich unterrichtet, ich habe nie etwas andres getan, als was du mir gesagt hast. Du wirst nicht behaupten wollen, daß du ein Kind wolltest?«
    »Nein, und doch ließe sich viel hierüber sagen.«
    »Wie? Du wolltest ein Kind?«
    »Wenn ich auch keines wollte, so war ich doch jedenfalls nicht fortwährend auf der Hut, habe nicht jede kleinste Liebkosung überwacht, nicht überängstlich nur an die möglichen Folgen eines Vergessens gedacht. Unter solchen Verhältnissen ist es besser, einander den Rücken zu kehren … Erinnere dich doch, meine Liebe, ich bitte dich! Hätte ich mich nicht zwanzigmal gehen lassen, wenn du mich nicht zurückgehalten hättest?«
    Diese Behauptung machte sie vollends toll.
    »Du lügst, du lügst abermals! Oh, ich verstehe, du willst glauben machen, daß ich, ich allein schuld daran bin, daß wir heute keinen zweiten Sohn haben, der den leeren Platz unsers armen Maurice einnehmen könnte! Ja, du bist feige genug, mir die ganze Verantwortung aufbürden zu wollen!… Mein Gott! Unser armer Maurice! Ist nicht das, daß wir ihn reich, glücklich, triumphierend sehen wollten, der einzige Grund, daß wir heute so schweren Kummer leiden? Wenn wir gesündigt haben, so war es aus Übermaß an Liebe, aus Vergötterung. Und du hast immer so gedacht wie ich und so gehandelt wie ich!«
    Er gab nicht nach, er fühlte sich stark, da er diesmal nicht log.
    »Wie du, nein! Ich wiederhole dir, daß du bloß nicht den Gendarmen hättest machen dürfen, und es wäre geschehen. Und überdies weiß ich, daß du Kniffe gebrauchtest, daß du noch deine eignen Vorsichtsmaßregeln anwendetest.«
    »Ich! Ich!«
    »Jawohl! Du hast es mir sogar einmal zu verstehen gegeben. Du mißtrautest mir und hattest dich für den Fall einer plötzlichen Torheit meinerseits vorgesehen … Kurz, ich weiß, was Frauen hierin zu leisten imstande sind, ich bin nicht von gestern.«
    Sie hatte sich aufgerichtet, sie suchte nach einem Worte, womit sie ihn zerschmettern könnte. Aber ihr Herz krampfte sich zusammen, sie mußte sich sagen, daß er diesmal die Wahrheit sprach, sie erinnerte sich, wie sie, ohne es ihm zu sagen, in einem Übermaß von Vorsicht jeder möglichen Schwangerschaft den Weg versperrt hatte, auf den Rat einer Freundin hin, deren Mann für zahlreiche Kinder schwärmte und die deren keine wollte. Diese Erinnerung überwältigte sie nun, erfüllte sie mit schneidender, wahnsinniger Reue, wenn sie denken mußte, daß sie damals vielleicht hätte ein zweites Kind haben können; und sie hatte es getötet, und nun war sie dafür gestraft, allein auf der Welt, zerrissenen Herzens, ihre Mutterschaft zertreten und vernichtet! Zu stolz, um sich zu einem Zugeständnis herbeizulassen, fing sie an zu zittern, zu stammeln.
    »Du machst mich wahnsinnig! Sie sehen, Doktor, daß unser Haus nun eine Hölle ist. Entschuldigen Sie mich, ich kann nicht mehr, ich kann nicht mehr!«
    Sie eilte hinaus, sie schlug die Tür hinter sich zu, und man hörte, wie sie sich in ihr Zimmer einschloß, zweimal den Schlüssel umdrehend.
    Nach einem Stillschweigen näherte sich Beauchêne, der im Zimmer auf und ab gegangen war, dem Arzt, und sagte, die Achsel zuckend:
    »Sie sind alle gleich, das konnte nicht anders enden. Ich hatte unrecht, da zu bleiben, ich hätte fortgehen und bei der Konsultation nicht anwesend sein sollen … Sie müssen nun schon wiederkommen, mein lieber Doktor. Sie werden mit ihr allein sein, das wird besser sein.« Dann fügte er in seinem selbstzufriedenen Lebemannstone, den er bereits wiedergefunden hatte, hinzu:
    »Sie ist überzeugt, daß ich der Schuldtragende bin, und sie hat Sie hauptsächlich rufen lassen, damit Sie ihr recht geben. Ich trage ihr nichts nach, und ich bitte Sie sogar, ihr zuzustimmen, wenn sie das beruhigen und den Frieden im Hause ein wenig wiederherstellen kann. Aber unter uns, und Sie wissen es besser als ich, sie ist die Kranke.«
    Das war in der Tat Boutans Ansicht. Er erkannte den Fall vollständig, er sah deren unaufhörlich in seiner Praxis. Gleichwohl fragte er Beauchêne aus, obschon er der Geständnisse des unterschlagenden Gatten nicht bedurfte. Die Unterschlagungen blieben die zerstörenden Einflüsse, selbst wenn sie in den sittsamen bürgerlichen Alkoven einen

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