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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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tragen, ohne ihre Vorteile zu genießen, eine alte, sehr reiche Dame geheiratet hatte – das folgerichtige Ende dieses verschlagenen Frauenausbeuters, mit der niedrigsten und gierigsten Seele hinter der Pose des pessimistischen Literaten, der die Dummheit einer in Zersetzung begriffenen Gesellschaft zum einträglichen Geschäfte machte. Ins Herz getroffen, hatte Valentine, nun dreiundvierzig Jahre alt, in zitternder Furcht, nicht mehr geliebt zu werden, sich mehr als je der Religion ergeben, wo sie fast augenblickliche Tröstung in Gemeinschaft mit diskreten Männern gefunden zu haben schien. Jetzt verschwand auch sie auf ganze Tage, man sagte, sie sei die tätige Mitarbeiterin des alten Grafen Navarède, der Präsident einer Gesellschaft für katholische Propaganda war. Gaston, der SaintCyr vor drei Monaten verlassen hatte, befand sich in Fontainebleau, von so schöner militärischer Begeisterung erfüllt, daß er bereits davon sprach, Junggeselle zu bleiben, da ein Offizier keine andre Liebe, keine andre legitime Frau haben dürfe als seine Klinge. Lucie, neunzehn Jahre alt, war endlich bei den Ursulinerinnen eingetreten, wo sie bald den Schleier nehmen sollte, beglückt, das Opfer ihres Leibes zu vollenden, vor dem sie heftigen Widerwillen empfand, keine andre Sehnsucht kennend, als unfruchtbar zu bleiben, ohne Geschlecht und ohne Begierde. Und in dem großen, leeren Hause, welches Vater und Mutter, Bruder und Schwester verlassen hatten, blieb nur die sanfte und liebenswürdige Andrée, von den Tollheiten bedroht, die hier die Luft erfüllten, in so schrecklicher Verlassenheit, daß der Onkel du Hordel, von Mitleid und Zärtlichkeit ergriffen, den trefflichen Plan gefaßt hatte, ihr Ambroise, den künftigen Eroberer, zum Gatten zu geben.
    Und die Wiederkehr Célestens in das Haus beschleunigte den Plan dieser Verehelichung. Acht Jahre waren bereits vergangen, seitdem Valentine ihre Zofe hatte verabschieden müssen, die, zum dritten Male schwanger geworden, ihren Zustand nicht hatte verbergen können. Während dieser acht Jahre hatte Céleste, des Dienens überdrüssig, sich in allerlei zweideutigen Gewerben versucht, von denen sie nicht sprach. Zuerst hatte sie sich damit befaßt, niedergekommenen Mädchen billige Kinderwäsche zu verkaufen, wodurch sie bei den Hebammen Eingang gefunden hatte und deren Vertraute, Sendbotin und Vermittlerin gegen oft ausgiebige Belohnung geworden war; dann wurde sie Faktotum eines verrufenen Hauses, und machte gemeinsame Sache mit der Couteau, die aus der Normandie zugleich mit ihren Ammen auch junge hübsche und gefällige Bäuerinnen mit hereinbrachte. Doch das Haus hatte Unglück gehabt, und Céleste war verschwunden, nachdem sie sich vor der polizeilichen Hausdurchsuchung durch einen Sprung aus dem Fenster gerettet hatte. Dann gähnte eine Kluft von achtzehn Monaten, als ob sie in die Erde versunken gewesen wäre. Sie tauchte in Rougemont, ihrer Heimat, wieder auf, krank und elend, im Taglohn arbeitend, um zu leben, allmählich sich wieder erholend und in bessere Verhältnisse kommend, dank der Protektion des Pfarrers, den ihre außerordentliche Frömmigkeit besiegt hatte. Da hatte sie wohl den Plan gefaßt, wieder bei den Séguin einzutreten; sie war von allem, was da vorging, durch die Couteau unterrichtet, die mit Madame Menoux, der kleinen Krämerin der Nachbarschaft, in Verbindung geblieben war. Unmittelbar nach ihrem Bruch mit Santerre, an einem Tag wütender Verzweiflung, wo sie wieder einmal ihr ganzes Gesinde gleichzeitig verabschiedet hatte, sah Valentine sie plötzlich vor sich, so reuevoll, so ergeben und so wohlanständig in ihrem Wesen, daß sie davon gerührt war. Und als sie ihr ihren Fehltritt in Erinnerung rief, brach sie in Tränen aus, und erbot sich, vor Gott einen Eid abzulegen, daß sie nie wieder dergleichen tun werde; denn sie ging nun zur Beichte und Kommunion und brachte sogar vom Pfarrer von Rougemont ein Zeugnis über außerordentliche Frömmigkeit und vorwurfslose Moral mit. Dieses Zeugnis gab bei Valentine den Ausschlag, die sogleich sah, welch wertvollen Beistand sie in diesem Mädchen finden werde, nun, da sie, von den Widerwärtigkeiten ihres Hauses abgestoßen, sich demselben immer mehr entfremdete. Auf dieses Ueberlassen der Machtvollkommenheit in ihre Hände hatte Céleste gerechnet. Zwei Monate später hatte sie, indem sie das Uebermaß religiöser Uebungen bei Lucie beförderte, diese ins Kloster gedrängt. Gaston erschien nur an den

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