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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Tagen, wo er Urlaub hatte; es blieb also nur Andrée zu Hause, die einzige, die noch im Wege war, die durch ihre Gegenwart den großen Raubzug verhinderte. Daher war die Zofe die eifrigste Mitarbeiterin an der Heirat des Fräuleins geworden.
    Ambroise hatte übrigens Andrée in seiner gewohnten erobernden Weise erobert. Schon seit einem Jahre begegnete er ihr bei ihrem Onkel du Hordel, noch ehe dieser den Plan gefaßt hatte, sie zu verheiraten. Sie war ein großes sanftes Kind, ein blondes Schaf, wie ihre Mutter sie nannte. Dieser schöne, lächelnde junge Mann, der sich so aufmerksam gegen sie zeigte, war der Inhalt ihrer Gedanken geworden, ihre Hoffnung, in die sie sich gerne flüchtete, wenn sie zu sehr unter der Verlassenheit litt, in der sie lebte. Sie wurde von ihrem Bruder nicht mehr geschlagen, aber sie hatte das Unheil der Zerstörung in der Familie wachsen gefühlt, sie ahnte die Gefahr, die ihr von all dem Schändlichen und Niedrigen drohte, das sie umgab, ohne sich dessen klar bewußt zu sein. Als daher ihr Onkel, auf sein Rettungswerk sinnend, ihr vorsichtig von Heirat, von Ambroise gesprochen hatte, war sie ihm mit Tränen der Dankbarkeit und des Geständnisses um den Hals gefallen. Valentine hatte, als sie hierüber ausgeholt wurde, zuerst einige Ueberraschung gezeigt: ein Sohn der Froment? Sie hatten ihnen Chantebled genommen, wollten sie ihnen auch noch eine ihrer Töchter nehmen? Dann fand sie aber keinen vernünftigen Einwand, angesichts des vollständigen Zusammenbruchs, dem das Haus zutrieb. Sie hatte Andrée nie geliebt, deren Amme, die Catiche, sie beschuldigte, sich sie mit ihrer Milch, der Milch eines geduldigen Haustieres, zu eigen gemacht zu haben. Und sie sagte häufig, dieses gutmütige Schaf, von so zärtlicher Gemütsart, sei keine Séguin. Indem sie sich stellte, als verteidige sie das Mädchen, reizte Céleste die Mutter noch mehr gegen sie auf, flößte ihr den Wunsch ein, sich ihrer durch eine rasche Heirat zu entledigen, um unbehindert ihren Neigungen frönen zu können. Und nachdem du Hordel lange mit Mathieu gesprochen hatte, der seine Einwilligung gab, blieb ihm nur noch, die Séguins zu erlangen, ehe die Eltern die förmliche Werbung vorbrachten. Aber es war nicht leicht, Séguin in passender Umgebung zu finden. Wochen verstrichen, man mußte Ambroise beruhigen, der sehr verliebt geworden war, und sicherlich auch durch sein Eroberergenie witterte, welches Königreich dieses liebevolle und bescheidene Kind ihm in einer Falte ihres Kleides versteckt mitbrachte.
    Eines Tages, als Mathieu, durch die Avenue d’Antin kam, entschloß er sich, zu Séguin hinaufzugehen, um zu erfahren, ob dieser schon zurückgekehrt sei. Er war eines Tages plötzlich verschwunden; er sei nach Italien gereist, hieß es. Und als Mathieu sich nun Céleste allein gegenüber sah, hielt er die Gelegenheit für günstig, um sich nach der Couteau zu erkundigen. Er unterhielt sich also eine Weile mit ihr und fragte schließlich nach der Zuführerin, da einer seiner Freunde, sagte er, eine gute Amme suche.
    »Sie kommen eben recht,« erwiderte die Zofe entgegenkommend, »die Couteau soll heute unsrer kleinen Nachbarin, Madame Menoux, ein Kind zurückbringen. Es ist nahe an vier Uhr, und das ist gerade die Stunde, um welche sie kommen wollte. Madame Menoux ist ganz in der Nähe, die erste Gasse links, der dritte Laden.«
    Dann entschuldigte sie sich, daß sie ihn nicht hinführen könne.
    »Ich bin allein zu Hause. Der Herr hat noch immer nichts von sich hören lassen. Madame präsidiert am Mittwoch immer in der Propaganda, und Mademoiselle Andrée ist von ihrem Onkel abgeholt worden, zu einem Spaziergang, glaube ich.« Mathieu beeilte sich, Madame Menoux aufzusuchen. Von weitem sah er die Krämerin auf der Schwelle ihres Ladens stehen; sie war je älter noch immer magerer geworden, und nun mit vierzig Jahren an Gestalt einem kleinen jungen Mädchen gleich, mit einem schmalen, dünnen Gesichtchen. Sie war gleichsam verzehrt von lautloser Tätigkeit, sie rieb sich seit zwanzig Jahren auf, um ihre Nadeln und Zwirn zu verkaufen, ohne Reichtum zu erwerben, nur glücklich, jeden Monat ihren schmalen Gewinn dem Gehalte ihres Mannes hinzuzufügen, um ihm einige kleine Annehmlichkeiten zu verschaffen. Sein Rheumatismus würde ihn zweifellos zwingen, seinen Posten im Museum zu verlassen, und was sollten sie mit einem Gnadengehalt von ein paar hundert Franken anfangen, wenn sie ihr Geschäft nicht fortsetzte? Dann hatten

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