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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Glück hatte, Beauchêne anzutreffen, den die Abwesenheit Blaises an sein Bureau fesselte. Er fand ihn in sehr verdrießlicher Stimmung, gähnend, schnaufend, halb eingeschlafen. Es war drei Uhr, und er konnte nicht mehr verdauen, sagte er, wenn er nicht nach dem Essen ausging. In Wirklichkeit verbrachte er, seit dem Bruch mit seiner Frau, die Nachmittage mit einer Kellnerin, der er eine Wohnung eingerichtet hatte.
    »Ach, mein lieber Freund,« sagte er, sich dehnend, »mein Blut fängt an dick zu werden. Ich muß mir Bewegung machen, sonst ist das mein Tod.«
    Aber er ermunterte sich, als ihm Mathieu in klaren Worten den Zweck seines Besuches auseinandersetzte. Zuerst verstand er gar nicht, so ungeheuerlich, unsinnig erschien ihm die Sache. »Wie? Was sagen Sie da? Meine Frau hat Ihnen von diesem Kinde gesprochen? Sie hat den glänzenden Einfall gehabt, zu verlangen, daß nachgeforscht, daß es ausfindig gemacht werde?«
    Sein dickes rotes Gesicht verzerrte sich, er stammelte im Uebermaß des Zornes. Und als er hörte, mit welcher bestimmten Aufgabe sie den Cousin betraut hatte, brach er los.
    »Sie ist verrückt, ich sage Ihnen, daß sie von der Tollwut ergriffen ist! Hat man je von solchen Launen gehört? Jeden Tag verfällt sie auf eine neue Erfindung, auf eine neue Qual, um mich um den Verstand zu bringen!«
    Mathieu schloß ruhig:
    »Ich komme also aus dem Findelhaus, wo ich erfahren habe, daß das Kind lebt. Ich weiß seine Adresse. Was soll nun geschehen?« Das war der letzte Schlag. Beauchêne, außer sich, ballte die Fäuste, hob die Arme empor.
    »Nun also, da haben wir die Bescherung! … Aber zum Tausend Donnerwetter, was hat sie mich denn mit diesem Kind zu plagen? Es ist doch nicht von ihr, so soll sie uns also ungeschoren lassen, das Kind und mich! Die Kinder, die ich etwa habe, gehen mich allein an. Ich frage Sie doch nur, ob das anständig ist, daß meine Frau Sie nach ihnen auf die Suche schickt? Und dann, was noch? Sie werden ihn ihr doch nicht bringen, hoffe ich? Was sollen wir mit ihm anfangen, mit diesem kleinen Bauern, der vielleicht alle Laster hat? Stellen Sie sich ihn da zwischen uns vor… Ich sage Ihnen, sie ist toll, sie ist toll, sie ist toll!«
    Er rannte wütend auf und ab. Dann blieb er plötzlich stehen.
    »Mein Lieber, Sie müssen mir einen Gefallen tun und ihr sagen, daß er tot ist.«
    Aber er erbleichte und wich zurück. Constance stand auf der Schwelle und hatte ihn gehört. Seit einiger Zeit strich sie so durch die Bureaus der Fabrik, erschien geräuschlos bald da, bald dort, als ob sie eine Ueberwachung ausüben wollte. Einen Augenblick stand sie schweigend den beiden verlegenen Männern gegenüber. Dann fragte sie gelassen, ohne auch nur das Wort an ihren Mann zu richten:
    »Er lebt, nicht wahr?«
    Mathieu konnte nicht anders als die Wahrheit sagen. Er bejahte mit einem Kopfnicken. Und Beauchêne machte einen letzten, verzweifelten Versuch. »Sieh doch nur, meine Liebe, sei vernünftig! Ich habe es soeben gesagt, wir wissen ja nicht einmal, was er wert ist, dieser Junge. Du wirst doch nicht mutwillig unser Leben zerstören wollen!«
    Sie sah ihn kalt und hart an. Dann wendete sie ihm den Rücken und fragte nach dem Namen des Kindes, nach dem Namen des Wagners und des Dorfes.
    »Gut. Sie sagen also Alexandre Honoré, bei dem Wagner Montoir, in SaintPierre bei Rougemont, im Departement Calvados … Nun, lieber Freund, erweisen Sie mir den Dienst, Ihre Nachforschungen fortzusetzen, suchen Sie genaue Auskunft über den Charakter und die Gewohnheiten dieses Kindes zu erhalten. Seien Sie vorsichtig, ja? Nennen Sie keinen Namen. Dank schon jetzt, vielen Dank für alles, was Sie für mich getan haben.«
    Und sie ging ohne weitere Erklärung, ohne ihrem Manne auch nur ein Wort über ihre Absichten zu sagen, die übrigens vielleicht so unklar waren, daß sie selbst sie nicht kannte. Er war angesichts dieser niederschmetternden Verachtung ruhig geworden. Warum sollte er sich sein Leben egoistischen Genusses verderben, indem er der Wahnsinnigen entgegentrat, die er fortan neben sich hatte? Es blieb ihm nichts, als seinen Hut zu nehmen und fortzugehen, seinem gewohnten Vergnügen nach. Er zuckte seine massigen Schultern.
    »Schließlich, sie soll ihn meinetwegen auflesen, wenn sie will. Die Dummheit ist dann nicht meine. Gehorchen Sie ihr, mein Lieber, setzen Sie Ihre Erkundigungen fort, tun Sie ihr den Willen. Vielleicht läßt sie mich dann ungeschoren … Und für heute habe ich

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