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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Skelett zurückbringt.«
    Mit vor Freude zitternden Knien hatte die Mutter sich niedergesetzt, das Kind auf dem Schoße, und küßte es, und sah es an, um sich nur gleich zu überzeugen, ob es gesund war, ob es leben werde. Es hatte ein volles, ein wenig blasses Gesicht, er schien stark und dick. Aber als sie ihn mit vor Erregung bebenden Händen aufgewickelt hatte, fand sie, daß er magere Aermchen und Beinchen und einen starken Bauch hatte.
    »Sein Bauch ist sehr dick,« sagte sie; ihre Freude war verflogen, eine neue Furcht hatte sie ergriffen.
    »Nun wollen Sie sich auch noch beklagen!« rief die Couteau. Der andre war zu mager, der ist zu dick. Die Mütter sind doch nie zufrieden!«
    Beim ersten Blick hatte Mathieu gesehen, daß dies eines jener mit Suppe genährten, aus Sparsamkeit mit Wasser und Brot vollgestopften Kinder war, die allen Magenkrankheiten der ersten Kindheit anheimfallen. Und angesichts dieses armen Wesens erhob sich das schreckliche Rougemont, mit seinem täglichen Gemetzel von Unschuldigen, vor seinem Geiste, so wie es ihm damals beschrieben worden war. Er sah die Loiseau, von so widerwärtiger Unsauberkeit, daß die Kinder auf einem Misthaufen verkamen; die Vimeux, die nie einen Tropfen Milch kaufte, die im Dorfe die Speisereste zusammensuchte und für ihre Pfleglinge Kleiengrütze machte, so wie man sie für die Schweine macht; die Gavette, die immer auf dem Felde war und die Kinder einem alten gelähmten Manne überließ, der manchmal eins ins Feuer fallen ließ; die Cauchois, die sich damit begnügte, sie in den Wiegen festzubinden, da sie niemand hatte, um sie zu bewachen, und sie den Hühnern überließ, die ihnen in die Augen pickten, den Fliegen, die ungestört auf ihnen herumkrochen. Und der Tod räumte unter ihnen auf, sie wurden in Scharen hingemordet, man ließ die Tür gegen eine Reihe von Wiegen offen, um rascher für die neuen Sendungen aus Paris Platz zu machen. Gleichwohl starben nicht alle, da doch wenigstens dieses da zurückkam. Aber wenn man sie lebend wiederbrachte, trugen die meisten etwas von dem Tode da drunten in sich, und sie lieferten dem scheußlichen Gotte des gesellschaftlichen Egoismus eine neue Hekatombe.
    »Ich kann nicht mehr, ich muß mich setzen,« sagte die Couteau, indem sie sich auf bem schmalen Bänkchen hinter dem Verkaufspult niederließ. »Ach. was für ein Erwerb! Und dabei empfängt man uns immer, als ob wir herzlose Menschen, Verbrecher oder Diebinnen wären.«
    Auch sie war eingetrocknet, ihr Vogelgesicht war spitz und vergilbt. Aber sie hatte noch ihre lebhaften Augen, aus denen verbissene Grausamkeit sah. Offenbar war sie mit ihrem Leben immer weniger zufrieden, denn sie fuhr fort, sich über ihren Beruf zu beklagen, über den steigenden Geiz der Eltern, die Anforderungen der Behörden, über den Krieg, den man auf allen Seiten den Zuführerinnen erkläre. Es sei ein jämmerliches Geschäft, Gott müsse sie verlassen haben, daß sie sich mit fünfundvierzig Jahren noch damit abgeben müsse, ohne einen Sou beiseite gelegt zu haben.
    »Ich werde dabei zugrunde gehen, ich werde bis zum Schlusse nichts anders davon haben, als wenig Geld und viel schlechte Worte. Sie sehen, wie ungerecht jeder ist, ich bringe Ihnen ein prächtiges Kind zurück, und Sie sind nicht einmal zufrieden! Wahrhaftig, das kann es einem verleiden, Gutes zu tun!«
    Vielleicht war ihr Jammern auch nur darauf berechnet, der Krämerin ein möglichst großes Geschenk zu entlocken. Diese war betrübt und beschämt. Das Kind, aus seinem Schlummer erwacht, hatte stark zu schreien angefangen. Man gab ihm etwas warme Milch zu trinken. Und nachdem die Rechnung beglichen war, wurde die Zuführerin etwas sanfter, da sie zehn Franken Trinkgeld bekommen hatte.
    Als sie Abschied nahm, sagte Madame Menour, auf Mathieu deutend: »Dieser Herr wünscht wegen eines Auftrags mit Ihnen zu sprechen.«
    Die Couteau erkannte den Herrn recht gut, obgleich sie ihn seit Jahren nicht gesehen hatte. Aber sie hatte sich nicht einmal gegen ihn gewendet, sie wußte ihn mit zu vielen Angelegenheiten verknüpft, als daß sie nicht in ihrem eignen Interesse vollständige Diskretion gezeigt hätte. Sie begnügte sich daher zu antworten:
    »Wenn Monsieur mir sagen will, um was es sich handelt, bin ich ganz zu seiner Verfügung.«
    «Ich begleite Sie,« erwiderte Mathieu. »Wir können auf dem Wege davon sprechen.«
    »Sehr wohl, das kommt mir sehr gelegen, denn ich habe ein wenig Eile.«
    Mathieu entschloß sich,

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