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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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allmächtige Seele des Hauses, besorgte dessen innere Ueberwachung, drillte die neuen Ammen wie die Rekruten, hatte seine Nase und seine Hand überall, befand sich in unaufhörlicher Bewegung zwischen den drei Stockwerken seines unsauberen Hotel garni.
    Die Couteau erwartete Mathieu im Hausflur. Als sie Constance bemerkte, die sie nicht kannte, die sie nie gesehen hatte, schien sie überrascht. Wer war denn diese Dame, was hatte sie mit der Sache zu tun? Aber sie verlöschte sofort die lebhafte Neugierde, die in ihren Augen aufgeleuchtet hatte. Und da Herminie mit lässiger Vornehmheit im Bureau thronte, wo sie eine Schar Ammen zweien Herren vorführte, ließ die Zuführerin ihre Leute in das nun leere Eßzimmer eintreten, in welchem ein abscheulicher Geruch von Speiseresten herrschte.
    »Verzeihen Sie, Monsieur und Madame. Es ist kein andrer Raum frei. Das Haus ist überfüllt.«
    Dann ließ sie ihre Blicke von Mathieu auf die Dame schweifen und wartete, daß man sie frage, da sie eine Unbekannte vor sich sah.
    »Sie können offen sprechen. Haben Sie die Erkundigungen eingezogen, mit denen ich Sie betraut habe?«
    »Jawohl, Monsieur. Es ist alles besorgt, und gut besorgt, glaube ich.«
    »Also sagen Sie uns das Ergebnis. Ich wiederhole, daß Sie vor dieser Dame ungescheut sprechen dürfen.«
    »O Monsieur, es ist nicht viel. Sie hatten recht, es waren zwei Lehrlinge bei Montoir, dem Wagner von SaintPierre, und einer von ihnen war wirklich Alexander Honoré, das Kind der hübschen Blondine, welches wir zusammen dorthin gebracht haben. Er war kaum drei Monate dort, nachdem er drei oder vier Handwerke versucht hatte, wodurch es erklärlich ist, daß ich von dem Wagner nichts wußte. Nur, so wie er nirgends geblieben ist, so ist er auch hier vor drei Wochen davongelaufen…«
    Constance konnte sich nicht enthalten, sie mit dem bestürzten Ausrufe zu unterbrechen:
    »Wie, davongelaufen?«
    »Ja, Madame. Er ist durchgegangen und man ist diesmal sogar überzeugt, daß er die Gegend ganz verlassen hat, denn er ist zusammen mit dreihundert Franken, die seinem Herrn, Montoir, gehörten, verschwunden.«
    Ihre dünne, scharfe Stimme klang schneidend. Obgleich sie den Grund der plötzlichen Blässe, der heftigen Erregung dieser Dame nicht verstand, schien sie daran einen grausamen Genuß zu finden.
    »Sind Sie Ihrer Auskünfte sicher?« fragte Constance, die sich noch wehrte. »Das alles ist vielleicht nichts andres als Dorfgetratsch.«
    »Getratsch, Madame, nein! Wenn ich mich einer Sache annehme, so weiß ich, was ich tue. Ich habe mit den Gendarmen selbst gesprochen. Sie haben die ganze Gegend durchstreift, es ist ganz gewiß, daß Alexandre Honoré keine Adresse zurückgelassen hat, als er mit den dreihundert Franken davonging. Er läuft noch. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer.«
    Das war ein Donnerschlag für Constance: dieses Kind, das sie wiedergefunden zu haben glaubte, von dem sie träumte, auf dessen Kopf sie so viele uneingestehbare, uneingestandene Rachepläne baute – das entglitt plötzlich wieder ihren Händen, fiel in sein schmutziges Dunkel zurück. Sie war davon erschüttert, betäubt, wie von einer eigensinnigen Tücke des Schicksals, von einer neuen, unheilbaren Niederlage. Sie übernahm nun selbst die Fragestellung.
    »Sie haben doch wohl nicht nur mit den Gendarmen gesprochen? Sie waren beauftragt, überall nachzufragen.«
    »Das habe ich getan, Madame. Ich habe mit dem Lehrer gesprochen, ich habe mit den andern Meistern gesprochen, bei denen er kurze Zeit war. Alle haben mir gesagt, daß er nicht viel tauge, der Lehrer erinnert sich, daß er ein Lügner und ein Raufbold war. Nun, und jetzt ist er zum Dieb geworden, das ist das Ende vom Lied. Sehen Sie, ich kann Ihnen nichts andres sagen, da Sie ja die Wahrheit erfahren wollen.« Sie verweilte mit um so größerem Behagen auf diesen Einzelheiten, je mehr sichtlichen Schmerz sie damit dieser Dame verursachte. Und welch seltsamer Schmerz, diese Stiche ins Herz, die ihr jede dieser Anklagen versetzte, als ob in dem Unglück ihrer Unfruchtbarkeit dieses Kind ihres Mannes ein wenig auch ihr Fleisch und Blut geworden wäre! Sie unterbrach nun die Zuführerin, um sie zum Schweigen zu bringen.
    »Danke. Das Kind ist nicht mehr in Rougemont. Das ist alles, was wir wissen wollten.«
    Die Couteau fuhr aber, gegen Mathieu gewendet, fort, bestrebt, diesem zu zeigen, daß er sein Geld nicht umsonst ausgebe:
    »Ich habe auch den andern Lehrling zum Sprechen gebracht,

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