Fruchtbarkeit - 1
Fremdling zu verteidigen, dessen Wiederauftauchen ihm einen Teil seines Platzes zu rauben drohte.
»Nein, nein! Ich habe nur ein Kind, ich liebe nur eins, ich will den andern nicht, niemals, niemals!«
Tief erregt hatte sich Cecilie erhoben, um ihr Vernunft zuzusprechen. Wenn er nun aber doch käme, könnte man lhn vor die Tür setzen? Und auch sie beweinte bereits ihr Glück, trotz ihres tiefen Mitleids für den Unbekannten. Mathieu beruhigte sie, indem er ihnen beteuerte, daß ein solcher Besuch ihm ganz unwahrscheinlich dünke. Ohne ihnen alles zu verraten, erzählte er ihnen vom Verschwinden des Knaben, und hielt ihnen vor, daß er sich ja selbst über den Namen seiner Mutter in vollkommener Unwissenheit befinden müsse. Und als er sie verließ, hatten die beiden Schwestern ihre Ruhe wiedergefunden, fuhren fort, ihre Schachteln zu kleben, und lachten dem Kinde zu, dem sie die Schere wiedergegeben hatten, damit er Figuren aus dem Papier ausschneide.
Unten harrte Constance in tödlicher Ungeduld an der Straßenecke und steckte den Kopf zum Wagenfenster heraus, um das Haustor im Auge zu behalten.
»Nun?« fragte sie bebend, sobald Mathieu bei ihr war.
»Nun, die Mutter weiß nichts, hat niemand gesehen, wie das ja vorauszusehen war.«
Sie sank zusammen wie unter einem schweren Schlage, und ihr bleiches Gesicht verzog sich schmerzlich.
»Es war vorauszusehen. Sie haben recht. Aber man hofft immer.«
Dann, mit hoffnungsloser Gebärde: »Nun ist auch das vorüber, alles zerbricht mir in den Händen, mein letzter Traum ist erstorben.« Mathieu drückte ihr die Hand und wartete, daß sie ihm eine Weisung für den Kutscher gebe. Aber sie blieb in Gedanken verloren, schien selbst nicht zu wissen, wohin sie fahren wolle. Als sie ihn sodann fragte, ob sie ihn irgendwo absetzen könne, erwiderte er, er gehe zu den Séguin. Und wahrscheinlich aus Furcht vor dem Alleinsein zu Hause, entschloß sie sich hierauf, Valentinen, die sie schon lange nicht gesehen hatte, einen Besuch abzustatten.
»Steigen Sie ein, wir fahren zusammen nach der Avenue d’Antin.«
Der Wagen setzte sich in Bewegung, und ein drückendes Schweigen entstand, sie fanden kein Wort, das sie hätten sagen können. Als sie sich jedoch ihrem Ziele näherten, sagte sie noch bitter:
»Sie können nun meinem Mann die frohe Botschaft bringen, ihm mitteilen, daß das Kind verschwunden ist! Wie erleichtert wird er sich fühlen!«
Mathieu hoffte gelegentlich dieses Besuches bei den Séguin, die ganze Familie vereint zu finden. Séguin war vor acht Tagen endlich zurückgelehrt, man wußte nicht woher, und es war endlich möglich geworden, offiziell bei ihm um die Hand Andrées anzuhalten. Er hatte die Werbung ungemein liebenswürdig aufgenommen, nachdem er vorher eine Unterredung mit Onkel du Hordel gehabt hatte. Der Hochzeitstag war sogar gleich bestimmt worden, indem man ihn ein wenig hinausschob, bis zum Monat Mai, weil die Froment um diese Zeit auch ihre älteste Tochter, Rose, verheiraten wollten: das sollte wunderschön werden, beide Hochzeiten würden am selben Tage in Chantebled stattfinden. Und von da ab durfte der glückliche Ambroise, als nun offiziell Verlobter, täglich um fünf Uhr kommen, um seiner Braut zu huldigen. Daher hoffte Mathieu nun die ganze Familie anzutreffen.
Aber als Constance nach Valentine fragte, sagte ihr ein Diener, Madame sei ausgegangen. Und als Mathieu nach Séguin fragte, antwortete ihm der Diener, Monsieur sei ebenfalls nicht da. Es sei nur Mademoiselle Andrée mit ihrem Verlobten oben. Die beiden Besucher gingen hinauf.
»Wie, man läßt euch allein?« rief Mathieu, als er die beiden jungen Leute Seite an Seite auf einem schmalen Sofa in dem großen Raume im ersten Stock sitzen fand. »Ja. wir sind ganz allein zu Hause,« erwiderte Andrée mit einem fröhlichen Lachen. »Das ist uns sehr angenehm.«
Sie waren allerliebst, wie sie so dicht beisammen saßen, sie so sanft, von so zarter Schönheit, er von dem Zauber des kräftigen Mannes, dessen siegreichste Eigenschaft die Anmut war. Sie hatte sitzend seinen Arm genommen, als ob sie im Begriffe wären, sich zu erheben und Arm in Arm ihre lange gemeinschaftliche Reise anzutreten.
»Céleste ist doch wohl wenigstens da!«
»Nein, nicht einmal Céleste. Sie ist verschwunden, wir wissen nicht, wo sie ist.«
Und wieder lachten sie mit der Fröhlichkeit junger Vögelchen, die in der einsamen Frische des Waldes ihre Freiheit genießen.
»Und was macht ihr denn da
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