Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
schwarzen, funkelnden Augen, ganz weiß und rosig, wie von dem Mehl der Mühle gepudert. Aber sie war ein unbändiges, eigenwilliges, übermütiges Kind, sie verschwand auf Stunden aus dem Hause, um im Freien herumzuschweifen und nach Vogelnestern, Blumen und wilden Früchten zu suchen. Und wenn ihre Mutter so in Aufregung geriet und sie eiligst zu suchen begann, als die Froment vorüberkamen, so war das, weil sie sie vorige Woche bei etwas Empörendem ertappt hatte. Die leidenschaftliche Sehnsucht Thérèses war, ein Rad zu haben, besonders seit ihre Eltern ihr dies unbedingt verweigerten, indem sie sagten, dieses Zeug sei gut für die Städter, aber nicht für anständige Mädchen. Als die Kleine nun eines Tages wie gewöhnlich davongelaufen war, hatte ihre Mutter, die vom Markte heimkehrte, sie auf einem öden Seitenwege in Gesellschaft des kleinen Grégoire Froment erblickt, auch ein solcher Vagant und Herumstreicher, mit dem sie häufig so an nur ihnen bekannten Verstecken zusammentraf. Und zu ihrer größten Empörung sah die Mutter, daß Grégoire das Mädchen auf sein Rad gesetzt hatte und, sie um die Mitte fassend und neben ihr herlaufend, sie im Fahren unterrichtete. Der kleine Halunke war der Lehrmeister, und die kleine Halunkin war seine willige Schülerin; und dabei lachten sie und pufften sich und spielten ausgelassen wie richtige nichtsnutzige Kinder, aus denen einmal noch was Schlechtes werden konnte. Als Thérèse diesen Abend heimkam, erhielt sie zwei mächtige Ohrfeigen.
    »Ja, wo ist sie denn hingeraten, diese Landstreicherin?« schrie die Lepailleur wieder. »Sowie man sie aus den Augen verliert, läuft sie davon.«
    Antonin, der hinter die Bude mit dem Porzellan geblickt hatte, kam nun schleppenden Ganges zurück, die Hände noch immer in den Taschen, boshaft lächelnd.
    »Sieh einmal dort hinunter, Mutter. Dort gibt’s eine Unterhaltung.«
    Hinter der Bude sah die Mutter wieder Thérèse und Grégoire beisammen. Er hielt sein Rad mit einer Hand und erklärte ihr offenbar dessen Mechanismus, während sie, von Bewunderung und Begierde gebannt, die Maschine mit den Augen verschlang. Dann konnte sie der Versuchung nicht widerstehen, und er hob sie, während sie vor Freude lachte, mit seinen kleinen kräftigen Armen in den Sattel, als plötzlich die schreckliche Stimme der Mutter dazwischenfuhr.
    »Verdammter Fratz, was tust du schon wieder da? Wirst du gleich herkommen, oder du sollst dein Teil kriegen!«
    Mathieu, der den Vorgang bemerkt hatte, rief seinerseits Grégoire strenge zu sich.
    »Stell dein Rad zu den andern; du weißt, was ich dir verboten habe, ich will das nicht wieder sehen.«
    Es war offener Krieg. Lepailleur knurrte Drohungen und Schimpfworte, welche durch die schreienden Töne einer Drehorgel übertäubt wurden. Und die beiden Familien wandten einander den Rücken und entfernten sich inmitten der sonntäglich gekleideten, immer dichter werdenden Menge. »Mein Gott, kommt denn der Zug noch immer nicht?« rief Rose, die in ihrer frohen Ungeduld jeden Augenblick auf die Uhr des kleinen Bahnhofes blickte. »Noch zehn Minuten, was fangen wir da an?«
    Sie war vor einem Manne stehen geblieben, der Krebse zu verkaufen hatte; zu seinen Füßen stand ein voller Korb, in welchem die Tiere übereinander krabbelten. Sie kamen wahrscheinlich aus dem Oberläufe der Yeuse, drei Meilen von hier; es waren keine großen Krebse, aber sehr schmackhaft, wie sie wohl wußte, denn sie hatte deren selbst manchmal einige in dem Flüßchen gefischt. Sogleich kam ihr eine ebenso genäschige als lustige Idee.
    »Oh, Mama, wir wollen ihm den ganzen Korb abkaufen! Weißt du, das ist für das Willkommfest, es ist die Gabe, die wir dem hohen Paare darbringen, das wir erwarten. Man soll nicht sagen, daß unsre Majestäten nicht alles aufs beste anordnen, wenn sie benachbarte Majestäten empfangen. Ich werde sie selber kochen, wenn wir nach Hause kommen, und ihr sollt sehen, wie gut sie werden!«
    Alles lachte, und die Eltern gaben diesem großen Kinde nach, das in seinem Glücke nicht mehr wußte, welch neuen fröhlichen Streich sie ersinnen sollte, so erschien ihr das Leben ein Freudenfest. Sie bestand nun darauf, die Krebse zu zählen, und das ging nicht leicht. Sie wurde von einigen gezwickt und zog die Hand mit leichtem Schreien zurück; auf einmal war der Korb umgestürzt, und die Tiere ergriffen nach allen Seiten die Flucht. Die Knaben und Mädchen machten sich sogleich an die Verfolgung, es gab eine

Weitere Kostenlose Bücher