Fruchtbarkeit - 1
weißen Landstraße, durch die fruchtbaren Felder, aus denen die aufgescheuchten Lerchen jubelnd zum Himmel stiegen. Es war wirklich prächtig.
An der Spitze fuhren Rose und Frédéric, das Brautpaar, auf ihren Rädern und eröffneten den Hochzeitszug in majestätischer Haltung. Nach ihnen kamen die drei Hofdamen, die drei jüngeren Schwestern Louise, Madeleine und Marguerite, nach dem Alter geordnet, auf ihrer Größe angemessenen Maschinen; und mit ihren Baretts, ihren offenen Haaren, die der Luftzug der Fahrt hinausflattern machte, waren sie entzückend, eine Schar Brieftauben, die mit froher Botschaft hinflogen. Der Page Grégoire führte sich allerdings nicht musterhaft auf; er jagte ungebärdig auf seinem Rade dahin und vergaß sich sogar so weit, das an der Spitze fahrende königliche Paar überholen zu wollen, was ihm strenge Rügen eintrug, bis er sich wieder auf den ihm zugewiesenen bescheidenen Platz des Dienenden zurückbegeben hatte. Aber als die Hofdamen nun begannen, das Klagelied Aschenbrödels auf dem Wege zum Schlosse des Prinzen zu singen, geruhte das königliche Paar diesen Gelegenheitsgesang trotz der Etikette recht artig zu finden. Endlich sangen Rose und Frédéric und auch Grégoire das Lied aus voller Brust mit. Und dieser Gesang in der weiten, heiteren Landschaft war die schönste Musik der Welt. In einiger Entfernung folgte sodann die Staatskarosse, das gute alte Familienbreak, das nun überfüllt war. Gervais kutschierte programmgemäß und hatte Claire zu seiner Linken auf dem Ledersitz. Die beiden kräftigen Pferde gingen ihren gewohnten gemächlichen Trab, trotzdem er ihnen die Peitsche lustig um die Ohren knallen ließ, um auch seinerseits etwas Musik zu machen. Im Innern saßen sieben Personen auf den sechs Plätzen, die drei Kleinen miteingerechnet, die aber ihren Raum in ihrer Beweglichkeit ausfüllten. Vorerst einander gegenüber Ambroise und Andrée, die Verlobten, denen man diesen prächtigen Empfang zuteil werden ließ. Sodann, ebenfalls einander gegenüber, die hohen Gebieter des Landes, Mathieu und Marianne, diese mit Nicolas, dem jüngsten Prinzen des Hauses auf den Knien, der wie ein Esel schrie, weil er so vergnügt war. Die letzten zwei Plätze endlich waren von der Enkelin und dem Enkel des allerhöchsten Paares eingenommen, Mademoiselle Berthe und Monsieur Christophe, die noch nicht fähig waren, eine lange Strecke zu Fuß zurückzulegen. Und der Wagen rollte stattlich dahin, obgleich man, aus Furcht vor dem drohenden Regen, schon die dicken weißen Leinenvorhänge zur Hälfte herabgelassen hatte, so daß er von weitem wie em Müllerwagen aussah.
Hinterdrein kam dann noch als Nachhut eine Gruppe zu Fuß, bestehend aus Blaise und Denis, Madame Desvignes und ihren zwei Töchtern Charlotte und Marthe. Sie hatten sich entschieden geweigert, einen Wagen zu nehmen, sie fanden es sehr angenehm, spazierengehend die zwei Kilometer zurückzulegen, die Chantebled und Janville trennten. Wenn es regnen sollte, würden sie schon irgendwo Schutz finden. Rose hatte übrigens erklärt, es sei so ganz in Ordnung, es bedürfe noch eines Gefolges zu Fuß, damit der Zug seine volle Ausdehnung und seinen vollen Glanz entfalte: diese fünf bildeten das Volk, die ungeheure Menge, die hinter ihren Herrschern unter begeisterten Zurufen einherzog. Oder aber sie seien die notwendige Garde, die Bewaffneten, die als Schutz hinterdreinkamen, um den etwaigen Angriff eines feindlichen Nachbars abzuwehren. Da jedoch Madame Desvignes unglücklicherweise nicht sehr schnell gehen konnte, so war die Nachhut bald weit zurückgelassen, so daß sie nur noch eine verschwindend kleine Gruppe in der Ferne bildete.
Aber das konnte Rose nichts anhaben, deren Übermut durch störende Zwischenfälle nur verdoppelt wurde. An der ersten Straßenbiegung wendete sie sich im Sattel um; und als sie ihre Nachhut um mehr als dreihundert Meter zurückgelassen sah, erging sie sich in Ausrufen der Bewunderung:
»Oh, steh nur, Frédéric, welch endloser Zug! Nehmen wir nicht einen ungeheuern Platz ein? Er verlängert sich und verlängert sich immerzu, und die Straße wird bald nicht mehr dafür ausreichen.«
Und als die Hofdamen sowie der Page sich spöttische Bemerkungen gestatteten:
»Wollt ihr euch wohl etikettemäßiger benehmen, ihr da? Zählt doch einmal. Wir sind sechs an der Spitze, nicht wahr? Im Wagen sind neun, das macht fünfzehn. Dazu die fünf der Nachhut, macht zwanzig. Wo findet ihr noch solche Familien? Die
Weitere Kostenlose Bücher