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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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sind, wie es in den Geschichten vorkommt, der König und die Königin eines benachbarten Reiches. Mein Bruder Ambroise, der die Hand einer fremden Prinzessin erhalten hat, führt sie nun uns zu, um sie uns vorzustellen. Um sie also in unserm, Frédérics und meinem Reiche zu empfangen, ziehen wir ihnen entgegen, begleitet von unserm ganzen Hofstaat. Ihr seid der Hofstaat, ihr müßt ganz selbstverständlich dabei sein. Was? Welch prächtiges Schauspiel unter freiem Himmel, wenn wir uns bei der Rückkehr in unsrer ganzen Zahl entfalten werden!«
    Marianne, mitgerissen von dieser übermütigen frohen Laune, gab lachend nach.
    Sie triumphierte, sie tanzte singend herum und schlug in die Hände.
    »Ah, das soll mir ein Geleite werden, wie man noch kein schöneres gesehen hat!«
    Sie war von solch freudiger Ungeduld beflügelt, daß sie ihren Zug viel zu früh in Bewegung setzte, so daß sie schon um halb zehn Uhr in Janville waren. Aber es galt, den Rest der Familie abzuholen.
    Das Häuschen, in welches Madame Desvignes sich nach dem Tode ihres Mannes zurückgezogen hatte, befand sich an der Straße und war das erste des Dorfes; sie lebte hier seit nun zwölf Jahren von der schmalen Rente, die sie aus dem Zusammensturz hatte retten können, sehr friedlich, sehr zurückgezogen, ganz der Erziehung ihrer beiden Kinder gewidmet. Seit acht Tagen hatte sie ihre älteste Tochter, Charlotte bei sich, die mit ihren Kindern, Berthe und Christophe, welche der frischen Luft bedurften, auf einen Monat hierhergekommen war; und seit gestern abend war auch Blaise bei ihnen, der Fabrik bis Montag den Rücken kehrend, glücklich, den Sonntag mit ihnen verbringen zu können. Es war ein Fest für die jüngere, Marthe, wenn ihre ältere Schwester so auf einige Wochen mit ihren Kindern in das alte Nest, in ihr ehemaliges Mädchenzimmer zurückkehrte, in welches man nun auch zwei Wiegen stellte. Die Fröhlichkeit und die Spiele von einst lebten wieder auf, und die gute Madame Desvignes, stolz auf ihre Großmutterwürde, dachte jetzt nur noch daran, ihre so klug begonnene Aufgabe zu vollenden, und auch Marthe zu verheiraten. Tatsächlich hätte man eine Zeitlang glauben können, daß es drei Hochzeiten statt zwei in Chantebled geben werde. Denis, der sich nach dem Austritt aus der Spezialschule weiteren technischen Studien gewidmet hatte, übernachtete sehr häufig auf dem Hofe, und sah hier fast alle Sonntage Marthe, des gleichen Alters mit Rose, und ihre unzertrennliche Freundin; und das junge Mädchen, blond und hübsch, wie ihre Schwester Charlotte, aber kühleren Verstandes und praktischeren Geistes, hatte ihn derart gefesselt, daß er sich entschloß, sie zu heiraten, obgleich sie keine Mitgift hatte; denn er hatte bei ihr die Eigenschaften gefunden, welche die zuverlässige Lebensgefährtin ausmachen, die einzige, die ein Vermögen erwerben helfen kann. Aber in ihrer Liebe waren beide so klug, so voll heiterer Zuversicht, daß sie keinerlei Ungeduld bekundeten; er besonders, eine sehr gewissenhafte Natur, wollte nicht das Schicksal einer Frau aufs Spiel setzen, ehe er ihr eine sichere Lebensstellung zu bieten hatte. Daher hatten sie aus eigner Wahl ihre Heirat aufgeschoben, und widerstanden mit gelassenem Lächeln dem leidenschaftlichen Anstürmen Roses, die der Gedanke an drei Hochzeiten an einem Tage begeisterte. Denis setzte indessen seine liebenden Besuche bei Madame Desvignes fort, die ihn als Sohn behandelte, und auch ihrerseits als kluge und vertrauende Frau geduldig wartete. Heute früh hatte Denis den Hof schon um sieben Uhr verlassen, indem er sagte, er wolle Blaise im Schoße seiner Familie schon in aller Morgenfrühe überfallen, und daher sollten die andern auch ihn in Janville abholen.
    In Janville war diesen Sonntag, den zweiten Mai, gerade Kirchweihfest. Der große Platz vor dem Bahnhofe war besetzt von Ringelspielen, fliegenden Schenken, Schaubuden und Schießstätten. Während der Nacht hatte ein Gewitterregen den Himmel reingewaschen, und er war nun von wolkenloser Bläue, mit einer für die Jahreszeit etwas zu heißen Sonne. Es waren auch schon viele Leute auf dem Platze, alle Müßiggänger des Dorfes, Scharen von Kindern, Bauern aus der Umgebung, die sich um alles drängten, was es zu sehen gab. Inmitten dieser Menge traf nun die Familienprozession ein, die Radfahrenden zuerst, dann das Break, endlich das Gefolge, das sich am Anfang des Dorfes angeschlossen hatte.
    »Wir machen Effekt,« sagte Rose, indem sie vom

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