Fruchtbarkeit - 1
Beauchêne, die Séguin. Aber unter ihren Tränen, von Kummer gebrochen, von Anstrengungen erschöpft, erkannten Mathieu und Marianne niemand. Sie erinnerten sich erst am nächsten Tage, daß sie Morange gesehen hätten, ohne sicher zu sein, ob es auch Morange gewesen, dieser schweigsame, unscheinbare Mann, der wie ein Schatten herangekommen war und ihnen weinend die Hand gedrückt hatte. Und ebenso erinnerte sich Mathieu, wie in einem schrecklichen Traume, der mageren Gestalt und des scharfen Profils Constances, die nach dem Hinablassen des Sarges sich ihm genähert und ihm allgemeine Trostworte gesagt hatte, während er glaubte, ihre Augen in entsetzlichem Triumphe flammen zu sehen.
Was hatte sie gesagt? Er wußte es nicht mehr. Das der traurigen Gelegenheit Angemessene natürlich, ebenso wie ihre Haltung die einer betrübten Verwandten gewesen. Aber eine brennende Erinnerung erwachte in ihm, an die Worte, die sie damals gesprochen hatte, als sie versprach, an der Doppelhochzeit teilzunehmen, und ihm mit bitterem Munde gewünscht hatte, daß das Glück von Chantebled fortdauern möge. So waren nun auch sie zerschmettert, diese so fruchtbaren, so erfolgreichen Froment! Und mit ihrem Glücke wars vielleicht für immer vorbei! Ein Schauer überlief sein Herz, sein Glauben an die Zukunft war erschüttert, die Furcht erfaßte ihn, daß die Fruchtbarkeit, das Gedeihen abbrechen und verdorren könnten, nun die Bresche einmal geöffnet war.
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Ein Jahr später tauften Ambroise und Andrée ihr erstes Kind, einen Knaben, auf den Namen Léonce. Sie hatten sechs Wochen nach dem Tode Roses in aller Stille, ohne jede Festlichkeit geheiratet. Diese Taufe sollte für Mathieu und Marianne, die noch in tiefer Trauer waren und den schrecklichen Schlag noch nicht verwunden hatten, den ersten fröhlichen Anlaß bilden, wieder auszugehen. Es war übrigens bestimmt, daß nach dem Kirchgange lediglich bei dem jungen Paare zu Mittag gegessen werden, und daß alle sodann wieder ihren Geschäften nachgehen sollten. Da die ganze Familie nicht kommen konnte, so sollten außer dem Großvater und der Großmutter nur die beiden Ältesten, Denis und Blaise, anwesend sein, dieser mit seiner Frau, Charlotte. Beauchêne, der Pate, hatte als Patin Madame Séguin gewählt, denn die arme Constance, sagte er, schauderte seit dem Tode ihres Maurice bei dem bloßen Gedanken, ein Kind zu berühren. Sie hatte jedoch eingewilligt, an der Mahlzeit teilzunehmen, für welche Séguin sich entschuldigt hatte. Somit würden dennoch zehn Personen das kleine Speisezimmer der bescheidenen Wohnung in der Rue La Bo[:e]tie füllen, welche das junge Paar einstweilen innehatte, bis ihnen der erwartete Reichtum zuteil wurde.
Es war ein schöner, milder Morgen. Mathieu und Marianne, die selbst bei diesem freudigen Anlasse ihre Trauerkleider nicht hatten ablegen wollen, erheiterten sich allmählich an der Wiege dieses Neugeborenen, dessen Kommen ihnen gleich einem Wiederaufleben der Hoffnung war. Am Anfang des Winters war die Familie wieder von Trauer betroffen worden, Blaise hatte seinen kleinen Christophe verloren, der im Alter von zweieinhalb Jahren der Bräune zum Opfer gefallen war. Aber gleichsam zur Entschädigung war Charlotte nun seit vier Monaten wieder schwanger, und der Schmerz der ersten Zeit war in bewegte Erwartung übergegangen. In der kleinen Wohnung herrschte eine angenehme Atmosphäre, sie war durchduftet von der blonden Anmut Andrées, erwärmt von dem sieghaften Temperament Ambroises: ein schönes Liebespaar, das sich gegenseitig vergötterte, und das Arm in Arm kühn zur Eroberung der Welt auszog. Während der Mahlzeit übte seine Wirkung auch der starke Appetit, das laute Lachen Beauchênes, des Paten, der sich sehr um seine Patin Valentine bemühte und ihr in einer scherzhaft übertriebenen Weise den Hof machte, die sie sehr belustigte; sie war mit ihren fünfundvierzig Jahren noch so zierlich, daß sie sich wie ein junges Mädchen gebärdete, obgleich auch sie nun schon Großmutter war. Nur Constance blieb ernst, ließ sich höchstens zu einem schwachen Lächeln auf ihren dünnen Lippen herbei, während manchmal ein Schatten durchbohrenden Leides über ihr mageres Gesicht glitt, wenn ihr Blick über diese fröhliche Tafel schweifte, von der, trotz der herben Verluste der letzten Zeit, eine neue Zukunftshoffnung mit unbesiegbarer Kraft ausging.
Gegen drei Uhr verließ Blaise die Tafel, ohne Beauchêne noch ein Glas Chartreuse nehmen lassen
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