Fruchtbarkeit - 1
zu wollen.
»Es ist wahr, Kinder, er hat recht,« sagte dieser gehorsam. »Bei euch ist es sehr behaglich, aber wir müssen unbedingt nach der Fabrik zurück. Und wir entführen euch auch Denis, denn wir bedürfen seiner Erleuchtung für eine sehr wichtige Konstruktion. Ja, so sind wir einmal. Die Pflicht vor allem.«
Constance hatte sich ebenfalls erhoben.
»Der Wagen dürfte wohl unten sein. Willst du ihn benutzen?«
»Nein, nein, wir gehen zu Fuß, das wird uns ein wenig den Kopf klären.«
Der Himmel hatte sich umzogen; und da es immer dunkler wurde, sagte Ambroise, der ans Fenster getreten war: »Ihr werdet naß werden.«
»Bah, das droht schon seit dem Morgen so. Wir werden wohl noch vorher die Fabrik erreichen.«
Constance erbot sich, Charlotte in ihrem Wagen mitzunehmen, um sie an der Tür des kleinen Häuschens abzusetzen, das sie bewohnte. Valentine hatte keine Eile, sie wollte ruhig nach ihrem zwei Schritte entfernt gelegenen Hause zurückkehren, sobald das Wetter sich geklärt hatte. Und was Mathieu und Marianne betrifft, so gaben sie dem zärtlichen Drängen Andrées nach und willigten ein, zum Diner dazubleiben und erst mit dem letzten Zuge nach Chantebled zurückzukehren. Das junge Paar war von dieser Zusage entzückt und klatschte freudig in die Hände.
Beim Abschiede der andern ereignete sich ein kleiner Zwischenfall, der allen in der fröhlichen Laune, die durch die reichliche Mahlzeit hervorgerufen worden, sehr komisch erschien. Constance hatte sich gegen Denis gewendet und bat ihn ruhig, indem sie ihn mit ihren hellen Augen ansah: »Lieber Blaise, seien Sie doch so gut, mir meine Boa zu bringen, die ich wahrscheinlich im Vorzimmer gelassen habe.«
Alle fingen zu lachen an, ohne daß sie verstand, aus welchem Grunde. Mit derselben Ruhe dankte sie Denis, als er ihr das Gewünschte brachte. »Danke, Blaise, Sie sind sehr freundlich.«
Dies rief einen allgemeinen Ausbruch schallenden Gelächters hervor, so drollig erschien ihre gelassene Zuversichtlichkeit. Was hatten sie denn alle, daß sie sich über sie lustig machten? Sie ahnte endlich ihren Irrtum und faßte den jungen Mann schärfer ins Auge.
»Ach ja, es ist Denis und nicht Blaise. Was wollt ihr, ich verwechsle sie immer, besonders seitdem sie sich den Bart in der gleichen Art schneiden lassen.«
Um das, was dieses allgemeine Gelächter etwa Spöttisches haben könnte, zu verwischen, erwähnte Marianne wieder des in der Familie wohlbekannten Umstandes, daß sie selbst, wenn die beiden als kleine Kinder nebeneinander schliefen, sie hatte aufwecken müssen, um sie an ihrer verschiedenen Augenfarbe zu erkennen. Dann erzählten auch die andern, Beauchêne und Valentine, von den merkwürdigen Anlässen, bei welchen jeder von ihnen die Zwillinge verwechselt hatte, so vollkommen war ihre Ähnlichkeit, besonders an gewissen Tagen, unter gewissem Lichte. Und mitten in dem frohen Durcheinander dieses Gespräches trennte man sich, nachdem alle Arten von Umarmungen und Händedrücken gewechselt worden waren.
Im Wagen, der sie heimbrachte, richtete Constance nur spärliche Worte an Charlotte, indem sie eine heftige Migräne vorschützte, welche die zu lange hinausgezogene Mahlzeit verstärkt habe. Sie lehnte matt, mit halbgeschlossenen Augen in ihrem Sitze und hing ihren Gedanken nach. Nach dem Tode Roses, als auch der kleine Christophe weggerafft worden war und die offene Wunde im Herzen der Froment vergrößert hatte, war sie von einer wiedererwachenden Hoffnung belebt worden. Ein Fieber hatte sie ergriffen, in dem, wie es ihr schien, ihr ganzes Wesen neu erstand. Blutwellen stiegen ihr ins Gesicht, ein heißes Beben durchzitterte sie, sie verbrachte ganze Nächte in der Erregung der Begierde, sie, die dergleichen nie gekannt hatte. Gütiger Gott, kehrte etwa ihre Fruchtbarkeit, ihre Mutterschaft wieder? Geschieht es nicht manchmal, daß kräftige Bäume sich so, nach dem Blätterfall, in einem schönen Herbst wieder mit neuen Blüten und Blättern bedecken? Da wurde sie von einer sinnlosen Freude ergriffen. Je mehr Zeit seit dem schrecklichen Tage verflossen war, an welchem Gaude ihr schonungslos gesagt hatte, daß sie kein Kind mehr bekommen werde, desto stärker hatte sie angefangen, an dem Ausspruche des Arztes zu zweifeln; sie wollte und konnte ihr Unvermögen nicht zugeben, sie wollte lieber an den Irrtum eines andern glauben, der immerhin möglich war, so groß seine Autorität auch sein mochte. Ja, so war es, Gaude hatte sich geirrt.
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