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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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engen Kreis beschränkt bleiben. Außer der Familie waren nur die Séguin und die Beauchêne geladen, und diese letzteren waren ja obendrein Cousins. Es sollten kaum mehr als an die zwanzig Gäste sein, und es sollte nur ein Mittagessen geben. Aber es sollte alles sehr schön und liebevoll sein, und ein jeder war bemüht, etwas Schönes, etwas Liebevolles beizutragen, wie um das Band, das die Herzen umschlang, noch enger zu ziehen. Vorerst handelte es sich um die Tafel, wo sie aufgestellt werden, wie sie hergerichtet werden sollte. Diese ersten Julitage waren so sonnig, so warm, daß sogleich beschlossen wurde, die Tafel im Freien, unter den Bäumen zu decken. Es gab einen reizenden Platz vor dem ehemaligen Jagdpavillon, dem einfachen Häuschen, das die Eltern einst bewohnt hatten, als sie zuerst nach Janvllle gekommen waren. Dieses war das eigentliche Nest der Familie, der Stammherd, von dem aus sie dann nach allen Seiten ins Land ausgestrahlt hatte. Mathieu hatte den Pavillon, der nachgerade ganz zusammenzustürzen drohte, erneuern und vergrößern lassen und dachte sich hierher mit Marianne, begleitet von Charlotte und ihren Kindern, zurückzuziehen, wenn er demnächst den Hof an Gervais übergeben haben würde, glücklich, hier in noch kräftigem Alter als Patriarch, als vom Throne gestiegener König zu leben, der durch die Weisheit seiner Ratschläge Gehorsam fand. An Stelle des ehemaligen ungepflegten Gartens dehnte sich jetzt hier ein großes Viereck grünen Rasens, den prächtige Bäume, Ulmen und Buchen, gleich einer Schar mächtiger und wohlwollender Freunde umgaben. Diese Bäume hatte er gepflanzt, er hatte sie wachsen sehen, sie waren gleichsam ein Stück von ihm. Aber sein wirkliches Kind, der Liebling seines Herzens, war eine in der Mitte des Rasens stehende, schon kräftige, bald zwanzigjährige Eiche, die er, unter Beihilfe Mariannens, die das dünne Stämmchen hielt, an dem Tage gepflanzt hatte, da sie das Gut Chantebled gründeten. Ihr Werk war gewachsen wie der Stamm, hatte sich ausgebreitet wie die Zweige dieses Baumes, als ob jeden neuen Frühling durch ihrer Hände Werk eine stärkere Welle Lebenssaftes in ihm wäre hinaufgetrieben worden. Und neben dieser Eiche, die so zum Sinnbild ihrer Familienkraft geworden war, befand sich noch ein Bassin, das von den auf dem Plateau gefaßten Quellen gespeist wurde, und in welches das klare, lebende Wasser mit unaufhörlichem fröhlichem Murmeln rieselte.
    Am Tage vor der Hochzeit wurde nun hier Rat gehalten. Mathieu und Marianne kamen als erste, um die Vorbereitungen zu besichtigen, und fanden Charlotte, die, ein Zeichenheft auf den Knien, eine flüchtige Skizze der großen Eiche vollendete. »Wie, eine Überraschung?«
    Sie lächelte ein wenig verlegen.
    »Ja, ja, eine Überraschung, ihr werdet schon sehen.«
    Dann gestand sie ihnen, daß sie seit vierzehn Tagen die Menüs für das Hochzeitsmahl in Aquarell male. Und sie hatte den hübschen und zartfühlenden Gedanken gehabt, alle nur mit Kinderköpfchen, mit Kinderspielen zu zieren, mit all dem blühenden Nachwuchs der Familie, deren Gesichter sie sich in Photographien und sonstigen Bildern hatte verschaffen können. Die Skizze der Eiche sollte den jüngsten Sprößlingen, dem kleinen Benjamin und dem kleinen Guillaume, als Hintergrund dienen.
    Mathieu und Marianne waren entzückt und tief gerührt von diesem Aufzug, dieser langen Folge rosiger Gesichtchen, die sie alle sehr gut wiedererkannten. Da waren die Zwillinge, noch in der Wiege, einer in des andern Armen; da war auch Rose, die teure Entschwundene, im Hemdchen; da waren Ambroise und Gervais, nackt im Grase miteinander ringend; da waren Grégoire und Nicolas, im Begriffe, die Schule zu schwänzen und Vogelnester auszuheben; da war Claire, da waren die drei andern Mädchen, Louise, Madeleine und Marguerite, sich im Hofe herumtreibend, die Hühner vor sich herjagend, rittlings auf den Pferden sitzend. Aber was Marianne besonders rührte, das war das Bild, auf welchem Charlotte den Jüngsten, Benjamin, der gerade neun Monate alt war, dargestellt hatte, der unter der Eiche in demselben Wagen mit ihrem, Charlottens eignem Kinde, Guillaume, lag, der genau dasselbe Alter hatte, um acht Tage später zur Welt gekommen war.
    »Onkel und Neffe,« sagte Mathieu scherzend. »Alles eins, der Onkel ist doch der ältere, er zählt um acht Tage mehr.«
    Tränen waren in Mariannens Augen aufgestiegen, während sie lächelnd das Bild betrachtete, und das Blatt

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