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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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wird es am besten sein, es so rasch als möglich wieder gut zu machen. Wann wollen Sie, daß wir die ungeratenen Kinder miteinander verheiraten?«
    Ueberrascht von der ruhigen Gutmütigkeit dieses direkten Angriffes, antwortete Lepailleur nicht gleich. Er hatte über alle Dächer geschrien, daß er keine Heirat wolle, sondern einen Prozeß, um alle Froment ins Gefängnis zu bringen. Bei näherer Ueberlegung war jedoch der Sohn des Großgrundbesitzers kein ganz zu verachtender Schwiegersohn.
    »Sie verheiraten, sie verheiraten,« knurrte er, »ja, ihnen beiden einen Stein um den Hals hängen und sie ins Wasser werfen. Ah, die Halunken, ich bring’ sie beide um, ihn und sie!«
    Er beruhigte sich jedoch allmählich und ließ sich selbst in ein Gespräch ein, als ein Dorfjunge laufend über den Hof kam.
    »Was willst du, he?«
    »Eine Depesche, Monsieur Lepailleur.« »Gut, gib her.«
    Der Junge, glücklich über seinen Sou Trinkgeld, war bereits wieder davongelaufen, als der Müller noch immer die Depesche betrachtete, ohne sie zu öffnen, in der mißtrauischen Art der Leute, die nicht gewohnt sind, deren zu erhalten. Endlich mußte er sich doch entschließen. Die Depesche enthielt nur die drei Worte: »Dein Sohn tot.« In dieser rücksichtslosen Kürze, diesem direkt niedersausenden Keulenschlage, fühlte man die kalte Wut der Mutter, das Verlangen, diesen Mann unverzüglich niederzuschmettern, dem sie die Schuld an dem Tode ihres Sohnes gab, so wie sie ihm die Schuld an der Flucht der Tochter gegeben hatte. Er fühlte das, er taumelte unter dem Stoße, las betäubt immer wieder das kleine blaue Papier, bis er endlich ganz verstand. Seine Hände zitterten, und er fing entsetzlich zu fluchen an.
    »Himmeldonnerwetter, was ist nun das wieder! Nun ist der Junge tot, alles geht mir davon!«
    Dann schwoll ihm das Herz, Tränen kamen in seine Augen. Er war mit wankenden Knien auf einen Sessel gesunken und las unaufhörlich die Depesche: »Dein Sohn tot… dein Sohn tot…« suchte nach dem übrigen, nach allem, was nicht darin stand. Vielleicht war er vor der Ankunft der Mutter gestorben. Oder vielleicht war er gestorben sogleich nachdem sie gekommen war. Er grübelte darüber mit stammelnden Worten, wiederholte zwanzigmal, daß sie mit dem Zuge zehn Minuten nach elf gefahren sei, daß sie also gegen halb eins in Batignolles gewesen sein müsse; und da sie die Depesche um ein Uhr zwanzig aufgegeben hatte, so war es wahrscheinlicher, daß sie ihn tot getroffen habe.
    »Himmelherrgott, eine Depesche, die sagt einem gar nichts, die schlägt einen auf den Kopf! Sie hätte jemand herschicken können… Ich muß hin. Das hat noch gefehlt, das ist zuviel Unglück für einen Menschen!«
    Lepailleur hatte das in solcher Wut und Verzweiflung hinausgeschrien, daß Mathieu, von Mitleid erfaßt, sich einzumengen wagte. Von dem plötzlichen Hereinbrechen des Unglücks betroffen, war er bis jetzt stumm geblieben; nun bot er seine Dienste an, wollte ihn nach Paris begleiten. Aber er wich zurück, als der Müller aufsprang, von Raserei ergriffen, seinen Feind hier in seinem Hause zu sehen. »Ah, Sie sind da?… Was sagten Sie? Daß wir sie verheiraten sollen, diese Halunken? Jawohl, Sie sehen ja, daß ich im Begriffe bin, auf die Hochzeit zu gehen! Mein Sohn ist tot. Sie haben ihre Zeit gut gewählt! Gehen Sie, gehen Sie, wenn Sie nicht wollen, daß ein Unglück geschieht!«
    Er hob die Fäuste, die Gegenwart Mathieus brachte ihn außer sich, nun da sein ganzes Leben in Trümmer ging. Es war ihm unerträglich, daß dieser Städter, der sich reich gemacht hatte, indem er Bauer wurde, gerade in dem Augenblicke bei ihm war, als ihn die Nachricht vom Tode seines Sohnes wie ein Donnerschlag traf, dieses Antonin, aus dem er einen Herrn hatte machen wollen, indem er ihm den Widerwillen gegen die Erde einflößte, ihn nach Paris sandte, damit er dort in Faulheit und Laster verkomme. Es versetzte ihn in Wut, daß er unrecht gehabt hatte, daß er sehen mußte, wie diese von ihm gelästerte Erde, die er als altes, unfruchtbares Weib bezeichnet hatte, so jung, so liebevoll und so fruchtbar für den Mann war, der sie zu lieben verstand. Und nun sah er, der aus dummer Berechnung die Familie beschränkt hatte, seinen Sohn eines unwürdigen Todes gestorben, seine Tochter mit einem Sohne des triumphierenden Hofes davongegangen, sich selbst ganz allein, ganz verlassen, weinend, heulend in seiner verödeten Mühle, die er ebenfalls verachtet hatte und die vor

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