Fruchtbarkeit - 1
eignem freien Willen davongehe, und daß sie es sei, die Grégoire mitnehme, da sie mit zweiundzwanzig Jahren erwachsen genug sei, um zu wissen, was sie tue. Die rasende Wut Lepailleurs war durch diesen Brief hervorgerufen, den er nicht zu zeigen wagte, abgesehen davon, daß seine Frau, die wegen ihres Antonin in fortwährendem Hader mit ihm lag, wütend über Thérèse loszog, und höhnisch sagte, daß es so kommen mußte, daß er schuld an der Liederlichkeit dieses Gassenmädchens sei. Sie schlugen sich, und die ganze Gegend sprach acht Tage lang davon, daß einer der Söhne von Chantebled mit der Tochter des Müllers durchgegangen sei – zum großen Kummer Mathieus und besonders Mariannens, deren armes, gefoltertes Herz am schmerzlichsten unter einer so häßlichen Geschichte litt.
Fünf Tage später, an einem Sonntag, verschlimmerten sich die Dinge noch. Da die Nachforschungen vergeblich blieben, kam Lepailleur, besinnungslos vor Wut, bis zum Hof herauf und sprudelte von der Mitte der Straße aus eine Flut niedriger Beschimpfungen hervor. Mathieu war abwesend, und Marianne hatte große Mühe, Gervais und Frédéric zurückzuhalten, die hinaus wollten, um ihm seine Grobheiten in die Gurgel zurückzustoßen. Als Mathieu abends heimkehrte, war er sehr betrübt.
»Diese Sachlage kann unmöglich so bestehen bleiben,« sagte er zu seiner Frau beim Schlafengehen. »Wir erwecken den Anschein, als ob wir uns versteckten, als ob wir ein schlechtes Gewissen hätten. Morgen werde ich zu dem Manne gehen. Es gibt nur einen, sehr einfachen Ausweg, nämlich die unseligen Kinder miteinander zu verheiraten. Wir unsrerseits willigen ein, nicht wahr? Und dieser Mann hat alle Vorteile auf seiner Seite, wenn er auch einwilligt. Morgen muß der Sache ein Ende gemacht werden.«
Am Montag gegen zwei Uhr schritt also Mathieu auf die Mühle zu. Aber dort erwartete ihn eine unvorhergesehene Verwicklung, ein ganzes Drama. Seit Jahren bestand und wuchs ein verbissener Kampf zwischen Lepailleur und seiner Frau wegen ihres Sohnes Antonin. Während der Vater immer erbitterter wurde über sein faules und liederliches Leben auf dem Pariser Pflaster, unterstützte ihn die Mutter mit der ganzen Starrköpfigkeit einer ungebildeten Frau, setzte blindes Vertrauen in die schöne Schrift ihres Sohnes und war überzeugt, daß er nur deshalb nicht zum Erfolge gelangen könne, weil man ihm das dazu nötige Geld verweigere. Trotz ihres filzigen Geizes fuhr sie fort, ihm ihr Letztes zu geben, sogar ihren Mann zu bestehlen, und stellte sich mit Zähnen und Klauen zur Wehr, wenn sie dabei ertappt wurde, wie sie dem Sohne wieder einmal zwanzig Franken sandte. Jedesmal brach der Streit mit einer Heftigkeit los, daß man hätte meinen sollen, die alte Mühle müsse einstürzen. Dann wurde Antonin, erschöpft, durch und durch vergiftet mit sechsunddreißig Jahren, wieder krank. Sofort erklärte Lepailleur, daß, wenn er ihm mit seiner Krankheit noch einmal daher komme, er ihn übers Rad hinweg in den Fluß werfen werde. Antonin hatte übrigens gar kein Verlangen, nach Hause zu kommen, denn er empfand einen Widerwillen gegen das Land und fürchtete, daß sein Vater ihn gleich einem Hunde an der Leine führen werde. Die Mutter hatte ihn daher bei Batignolles in Verpflegung gegeben, wo der Arzt des Viertels ihn behandelte. Das war nun drei Monate her, und sie besuchte ihn alle vierzehn Tage. Am Donnerstag war sie dort gewesen, als sie am darauffolgenden Sonntag eine Depesche erhielt, die sie dahin berief. Und am Montag, am Morgen des Tages, an welchem Mathieu zur Mühle kam, war sie abgereist, nach einem schrecklichen Streite mit dem Vater, der geschrien hatte, wann dieser Taugenichts von einem Sohn aufhören werde, sie an der Nase herumzuführen und ihre paar Groschen aufzuessen, ohne auch nur den Willen zu haben, eine Schaufel Erde umzudrehen.
Allein in der Mühle zurückgeblieben, kam Lepailleur diesen Tag aus dem Zorn nicht heraus. Er hätte den Pflug zerschlagen mögen, er hätte sich mit der Hacke auf das alte Rad stürzen mögen, um sich für sein Unglück zu rächen. Als er Mathieu hereinkommen sah, glaubte er an eine Herausforderung, und brachte vor Wut kein Wort hervor.
»Hören Sie einmal, Nachbar,« sagte der Herr von Chantebled in gemütlichem Tone, »wir wollen beide versuchen, vernünftig zu sein. Ich erwidere Ihren Besuch, da Sie gestern bei mir waren. Aber böse Worte haben noch nie Gutes gestiftet, und da das Unglück einmal geschehen ist, so
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