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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Alter verfiel.
    »Verstehen Sie mich, Thérèse kann vor mir aus den Knien herumrutschen, nie werde ich sie Ihrem Räuber von einem Sohne geben! Ich soll mich wohl von der ganzen Gegend auslachen lassen und mich aufessen lassen, so wie Sie alle andern aufgegessen haben!«
    Offenbar war in seiner Geistesverwirrung diese Gefahr drohend vor ihm aufgetaucht. Da Antonin tot war, so würde also Grégoire die Mühle bekommen, wenn er Thérèse heiratete? Und das Stück Heide auch, die Enklave, die er mit so verbissener Schadenfreude festhielt, die der Hof so gerne gehabt hätte, und die er ohne Zweifel bekommen würde, sobald Grégoire der Herr wäre. Dieser Gedanke, daß Chantebled einen neuen Zuwachs an Grund auf seine Kosten bekommen könne, trieb den Müller vollends zur Raserei.
    »Ihren Sohn schicke ich ins Zuchthaus, und Sie, wenn Sie nicht gleich gehen, so werfe ich Sie hinaus. Gehen Sie, gehen Sie!« Mathieu wich, sehr bleich, langsam vor diesem Tobsüchtigen zurück und ging, nachdem er ihm noch gesagt hatte: »Sie sind ein unglücklicher Mensch. Ich verzeihe Ihnen, weil Sie einen schweren Kummer erlitten haben. Im übrigen bin ich sehr ruhig, das Vernünftige muß schließlich doch geschehen.«
    Wieder verging ein Monat. Dann fand man eines regnerischen Oktobermorgens die Frau Lepailleurs im Stalle der Mühle aufgehängt. Es gab Leute, die sagten, Lepailleur habe sie aufgehängt. In Wirklichkeit war sie seit dem Tode Antonins in Melancholie verfallen. Anderseits waren die Zustände im Hause unhaltbar geworden, Mann und Frau warfen sich täglich den Tod des Sohnes, die Flucht der Tochter an den Kopf, wüteten gegeneinander wie zwei verlassene, in denselben Käfig eingeschlossene wilde Tiere. Man verwunderte sich nur, daß eine so zähe, so geizige Frau das Leben verlassen habe, ohne ihr Hab und Gut mit sich zu nehmen. Sobald sie den Tod ihrer Mutter erfahren hatte, eilte Thérèse herbei, nahm reuevoll wieder ihren Platz neben ihrem Vater ein, um ihn in seiner zweifachen Trauer nicht allein zu lassen. Die erste Zeit war furchtbar für sie in Gesellschaft dieses rohen Menschen, der gegen das, was er die Bosheit des Schicksals nannte, wütete. Aber sie war ein Mädchen voll ausdauernden Mutes und fester Entschlossenheit. Und einige Wochen später hatte sie ihn dazu gebracht, seine Einwilligung zu ihrer Heirat mit Grégoire zu geben, der einzigen, vernünftigen Lösung, wie Mathieu es gesagt hatte. Es war eine große Erleichterung für den Hof, wo der verlorene Sohn nicht mehr zu erscheinen wagte. Man glaubte zu wissen, daß die jungen Leute irgendwo in einem verborgenen Winkel von Paris gelebt hatten, man vermutete sogar, daß der freigebige Ambroise ihnen brüderlich mit seiner Börse zu Hilfe gekommen sei. Und während Lepailleur die Heirat in der knurrenden und widerwilligen Art eines betrogenen Menschen geschehen ließ, von der Furcht beherrscht, sich in dem traurig gewordenen Hause eines Tages allein zu finden, waren Mathieu und Marianne glücklich über eine Lösung, die einer zweideutigen Sachlage ein Ende machte, unter der sie ebenso gelitten hatten wie unter der Auflehnung eines ihrer Kinder gegen ihren Willen.
    Dann geschah es aber, daß Grégoire, der nach dem Wunsche Thérèses seinen Wohnsitz in der Mühle aufschlug, sich mit seinem Schwiegervater viel besser vertrug, als man hätte erwarten sollen. Dies ergab sich besonders infolge einer Szene, in welcher Lepailleur ihn schwören lassen wollte, daß er nach seinem Tode niemals an die Leute vom Hofe, seine Brüder und Schwestern, das Stück Heide abtreten werde, das er, Lepailleur, mit dem Starrsinn eines besiegten Bauern bisher unbebaut gelassen hatte. Grégoire schwor nicht, aber er erklärte in heiterem Tone, daß er nicht so dumm sein werde, seine Frau des besten Teiles ihres Erbes zu berauben, denn er gedenke aus diesem Stück Heide in zwei oder drei Jahren den fruchtbarsten Boden der Gegend zu machen. Was ihm gehöre, das gehöre nicht den andern, er werde schon zeigen, daß er sein Stückchen Reich zu verteidigen wissen werde. Und ebenso erging es mit der Mühle, deren altes Werk instand zu setzen er sich vorerst begnügte, um die alten Gewohnheiten des Müllers nicht zu unvermittelt zu ändern, indem er die Dampfmaschine und die Schienenverbindung mit Janville auf später verschob: alle diese Gedanken Mathieus, die nun in seinem jungen, unternehmenden Kopfe zu gären begannen. Ein neuer Grégoire war somit entstanden, ein klug gewordener

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