Fruchtbarkeit - 1
dessen Türen geschlossen, sie wollte sie nur allen ihren Kindern zugleich wieder öffnen, wenn sie sich versöhnt hatten, wenn sie ihr eines Tages das große Glück bereiten würden, einander wieder alle bei ihr zu umarmen. Aber sie verzweifelte an dieser Heilung, an der einzigen Freude, die sie hätte wiederaufleben lassen. Und als nun Mathieu im fahlen Licht der Dämmerung sich neben sie setzte und ihre Hand in seine nahm, wie das ihre Gewohnheit war, sprachen sie zuerst nicht, sahen hinaus auf die weitgedehnte Ebene, auf die Felder, die sich im Nebel der Ferne verloren, auf die Mühle unten am Ufer der Yeuse mit ihrem rauchenden Schornstein, auf Paris selbst, unter dem Horizonte, aus welchem der schwarzgraue Qualm einer riesigen Esse aufstieg.
Die Minuten vergingen. Mathieu hatte im Lauf des Nachmittags, um seine Seelenqual zu erleichtern, einen weiten Marsch bis an die Höfe von Mareuil und Lillebonne gemacht. Und er sagte endlich, halblaut, wie zu sich selbst: »Noch nie waren alle Vorbedingungen für die Arbeiten günstiger. Dort oben auf dem Plateau ist die Erde durch die neue Bebauungsart noch besser geworden, der Humus der ehemaligen Sümpfe hat sich unter dem Pfluge aufgelockert; und ebenso hat sich hier an den Hängen der Sandboden stark bereichert infolge der durch Gervais erdachten neuen Verteilung der Quellen. Seitdem der Besitz sich in seinen und Claires Händen befindet, hat sich sein Wert fast verdoppelt. Es ist ein unaufhörlich wachsendes Gedeihen, der Sieg durch die Arbeit ist grenzenlos.«
»Was hilft’s, wenn die Liebe nicht mehr da ist?« sagte Marianne.
»Dann,« fuhr Mathieu nach einem Stillschweigen fort, »bin ich an die Yeuse hinabgegangen und habe von weitem gesehen, daß Grégoire die neue Maschine bekommen hat, die Denis für ihn gebaut hat. Sie wurde eben im Hofe abgeladen. Wie ich höre, vermehrt sie die Leistungsfähigkeit des Werkes und erspart dabei ein gutes Drittel der Kraft. Wenn man solche Werkzeuge hat, kann die Erde Ozeane von Getreide für unzählbare Völker hervorbringen; alle werden Brot haben. Und so wird diese Maschine mit ihren starken, gleichmäßigen Atemstößen wieder neuen Reichtum hervorbringen.«
»Was hilft’s, wenn man sich haßt?« sagte Marianne wieder.
Mathieu schwieg. Aber wie er es auf seinem Spaziergang beschlossen hatte, sagte er seiner Frau beim Schlafengehen, daß er morgen den Tag in Paris verbringen werde; und da er ihr Erstaunen sah, schützte er ein Geschäft vor, eine alte Schuld, die er einkassieren wolle. Er konnte es nicht mehr ertragen, es zerriß ihm das Herz, Marianne so langsam sterben zu sehen. Er wollte handeln, alles daransetzen, um die Versöhnung herbeizuführen.
Als er am nächsten Vormittag um zehn Uhr den Zug in Paris verließ, fuhr Mathieu vom Bahnhof unmittelbar in die Fabrik nach Grenelle. Er wollte vorerst mit Denis sprechen, der bis jetzt in dem Streite keine Partei ergriffen hatte. Seit Jahren schon, seit kurzer Zeit nach dem Tode Constances, war Denis mit seiner Frau und seinen drei Kindern in das Wohnhaus am Kai übersiedelt. Damit war die Besitzergreifung der Fabrik vollendet, ihr Herr residierte nun in dem prächtigen Herrenhause, das ihm gebührte. Beauchêne lebte indessen noch mehrere Jahre; aber sein Name war aus der Firma gelöscht, er hatte sein letztes Eigentumsrecht gegen eine Rente abgetreten, die ihm ausgezahlt wurde. Eines Abends erfuhr man sodann, daß er bei jenen Damen, der Tante und der Nichte, gestorben sei, nach einem reichen Mittagessen vom Schlage gerührt; und er schien im Zustande der Kindheit geendet zu haben, er hatte zuviel gegessen, zuviel andern Genüssen gehuldigt, die seinem Alter nicht mehr gemäß waren. Es war der Tod des unterschlagenden, auf Straßenabenteuer ausgehenden Gatten, das schimpfliche Ende in der Gosse, womit sein Geschlecht erlosch.
»Sieh da, welcher gute Wind führt dich her?« rief Denis fröhlich, als er seinen Vater erblickte. »Willst du mit mir essen? Ich bin noch Strohwitwer, erst Montag werde ich Marthe und die drei Kinder aus Dieppe abholen, wo sie einen wundervollen September verbracht haben.«
Als er aber von der Krankheit seiner Mutter hörte, daß sie in Gefahr sei, wurde er ernst und betrübt.
»Was sagst du? Mama krank, in Gefahr? Ich glaubte, sie sei nur ein wenig schwach, ein Unwohlsein ohne Bedeutung. Sag einmal, Vater, was gibt es? Ihr habt irgendeinen Kummer, den ihr verheimlicht?«
Er hörte die einfache und vollständige Darlegung, die
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