Fruchtbarkeit - 1
einem Nasenstüber hätte umbringen können. Sie leben sehr nett und anständig beisammen, zwei Mütter für einen großen Sohn, aus dem sie einen anständigen Menschen gemacht haben.«
Mathieu nickte zustimmend und sagte dann heiter: »Aber auch Sie, Victor, haben Söhne und Töchter gehabt, die nun ihrerseits Väter und Mütter sein müssen.«
Der alte Arbeiter machte eine weite, unbestimmte Gebärde.
»Ich habe acht lebende, eins mehr als mein Vater. Alle sind sie fort, ihrerseits Väter und Mütter, wie Sie sagen, Monsieur Froment. Wie es eben kam, man muß ja leben. Es sind einige darunter, die kein Weißbrot essen, o nein. Und es fragt sich, ob ich, wenn ich einmal nichts mehr nutz bin, ein Kind finden werde, das mich aufnimmt, wie Norine und Cécile den Vater aufgenommen haben… Nun ja, was ist da zu machen? Es ist Unglückssaat und daraus kann nichts Gutes herauswachsen.«
Er schwieg einen Augenblick; dann setzte er seinen Weg gegen die Werkstätten fort, gebeugten Rückens, die arbeitsmüden Hände herabhängen lassend.
»Auf Wiedersehen, Monsieur Froment.«
»Auf Wiedersehen, Victor.«
Denis hatte seine Befehle erteilt und gesellte sich nun seinem Vater zu. Er schlug ihm vor, zu Fuß in die Avenue d’Antin zu gehen, und teilte ihm unterwegs mit, daß sie Ambroise vermutlich allein treffen würden, denn seine Frau und seine Kinder befanden sich auch in Dieppe, wo die beiden Schwägerinnen Andrée und Marthe die Saison miteinander verbracht hatten.
Das Vermögen Ambroises hatte sich in zehn Jahren verzehnfacht. Mit kaum fünfundvierzig Jahren beherrschte er den Pariser Markt. Nachdem er durch den Tod des Onkels du Hordel der Erbe und alleinige Herr des Kommissionshauses geworden war, hatte er es durch seinen Unternehmungsgeist noch bedeutend erweitert, es in ein wahres Welthaus verwandelt, durch welches Waren aus allen Kontinenten hindurchgingen. Die Grenzen bestanden für ihn nicht, er bereicherte sich an den Erzeugnissen der ganzen Erde, und das mit einer triumphierenden Kühnheit, mit einem so sicheren und weitschauenden Blicke, daß seine gewagtesten Unternehmungen siegreich endigten. Dieser Kaufmann, dessen fruchtbare Tätigkeit Schlachten gewann, mußte notwendigerweise die müßig gehenden, kraftlosen unfruchtbaren Séguin verschlingen. Und in dem Zusammenbruch ihres Vermögens, in dem Zerfall der Ehe und der Familie, hatte er sich sein Teil ausersehen, hatte er das Palais in der Avenue d’Antin verlangt. Séguin bewohnte es seit Jahren nicht mehr, denn nach der freundschaftlichen Trennung, die zwischen ihm und seiner Frau stattgefunden, hatte er die eigentümliche Idee gehabt, ganz in seinem Klub zu leben und dort ein eignes Zimmer zu bewohnen. Zwei seiner Kinder waren in der Ferne, Gaston jetzt Kommandant in einer entlegenen Garnison, und Lucie Nonne in einem Ursulinerinnenkloster. Und auch Valentine, die sich allein langweilte, und nicht mehr in der Lage war, ein Haus in entsprechendem Stile zu führen, hatte das Palais verlassen und eine sehr hübsche und elegante Wohnung auf dem Boulevard Malesherbes bezogen, wo sie ihr weltliches Leben als alte, fromme und immer sehr zarte Dame vollendete, Präsidentin des »Wohltätigkeitsvereins für Kinderausstattungen«, einzig mit den Kindern andrer beschäftigt, seitdem sie nicht verstanden hatte, sich die ihrigen zu erhalten. Und Ambroise hatte das leere Palais nur zu nehmen brauchen, das so schwer mit Hypotheken belastet war, daß ihm, wenn es einmal zur Erbschaftsteilung kam, Valentine, Gaston und Lucie sicherlich noch Geld schuldeten.
Und welche Erinnerungen erwachten wieder in Mathieu, als er nun mit Denis das fürstliche Palais in der Avenue d’Antin betrat! Er sah sich, wie in die Fabrik, hierher als armer Mann kommen, als dürftiger Mieter, der um die Ausbesserung des Daches bat, damit das Wasser des Himmels nicht die vier Kinder durchnässe, für die er in seinem sträflichen Leichtsinn schon die Sorge auf sich genommen hatte. Auf die Avenue blickte noch dieselbe stolze Renaissancefassade mit den hohen Fenstern in den zwei Stockwerken; dasselbe Bronze und Marmorvestibül führte in die Salons des Erdgeschosses und den Wintergarten; und in der Mitte des ersten Stockwerkes befand sich noch immer das ehemalige Arbeitszimmer Séguins, das weite Gemach mit dem mächtigen Mittelfenster, in welches alte Glasmalereien eingefügt waren. Er erinnerte sich dieses Gemaches mit seiner überreichen, glänzenden Ausstattung an Antiquitäten, alten
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