Fruchtbarkeit - 1
boshafter Freude, gleich einem Widerspruch gegen die benachbarte Fruchtbarkeit. Man sah ihn oft sich dort ergehen, ein alter König der Kiesel und des Unkrautes, seine hagere Gestalt hochaufgerichtet, mit grimmiger Befriedigung auf die Wüstenei blickend. Und offenbar suchte er dabei auch nach irgendeinem Vorwande für einen möglichen Zwist, denn er war es, der auf einem dieser herausfordernden Spaziergänge einen Uebergriff derer vom Hofe entdeckte, den er in so übertriebener Weise darstellte, und der so unglückliche Folgen nach sich zog, daß er eine Zeitlang das Glück der Froment zerstörte.
Grégoire war in Geschäftssachen rauh und kurz angebunden und verzichtete auch nicht auf das Kleinste von dem, was er für sein Recht hielt. Als sein Schwiegervater ihm erzählte, daß der Hof nahezu drei Hektar seines Heidegrundes bebaut habe, offenbar mit der Absicht, diesen langsamen Diebstahl fortzusetzen, wenn man ihm nicht Einhalt tat, ging er sogleich daran, sich von der Tatsache zu überzeugen, da er sich ein derartiges Eindringen nicht gefallen lassen wollte. Unglücklicherweise fand man aber die Grenzsteine nicht. Der Hof konnte daher füglich behaupten, daß er im guten Glauben gehandelt, ja, daß er seine Grenzen überhaupt nicht überschritten habe. Aber Lepailleur behauptete wütend das Gegenteil, zeigte genau, wo die Grenze gewesen sei, zog sie mit seinem Stocke nach, indem er schwor, daß sie auf zehn Zentimeter stimmen müsse. Und die ganze Sache nahm vollends eine schlimme Wendung bei einer Auseinandersetzung zwischen den Brüdern Gervais und Grégoire, in deren Verlauf der letztere in Zorn geriet und unverzeihliche Worte sagte. Am nächsten Tage machte er den Bruch vollständig und begann einen Prozeß. Gervais antwortete sogleich mit der Drohung, kein einziges Korn Getreide mehr in die Mühle zu senden, und das war ein schwerer Schlag für die Mühle, denn die Kundschaft Chantebleds hatte in Wirklichkeit das Gedeihen der neuen Mühle verursacht. Von da ab verschlimmerte sich die Lage von Tag zu Tag, jede Versöhnung wurde bald unmöglich, um so mehr, als Ambroise, der damit betraut worden, einen Verständigungsmodus zu finden, sich seinerseits ereiferte und nichts erreichte, als beide Teile noch mehr aufzubringen. Der abscheuliche Bruderkrieg fraß immer weiter, nun standen einander schon drei Brüder feindselig gegenüber. Und war das nicht das Ende von allem, würde nicht die ganze Familie von dieser Zerstörungswut ergriffen werden, in diesem Sturm von Haß und Wahnsinn zugrunde gehen, nach so vielen Jahren voll weiser Vernunft, voll gesunder und starker Liebe?
Mathieu versuchte natürlich einzugreifen. Aber bei den ersten Worten hatte er gefühlt, daß, wenn er scheiterte, wenn seine väterliche Autorität nicht anerkannt würde, der endgültige Zusammenbruch erfolgen müsse. Er wartete also, ohne seinerseits noch den Kampf aufgegeben zu haben, gedachte irgendeine günstige Gelegenheit zu benutzen. Aber jeder Tag der Zwietracht, der dahinging, vermehrte seine Seelenangst. Sein ganzes Werk, das kleine Volk, das er gezeugt hatte, das kleine Königreich, das er unter der gütigen Sonne gegründet hatte, war plötzlich von Zerstörung bedroht. Kein Werk kann gedeihen ohne Liebe, die Liebe, die es gegründet hat, kann ihm allein Dauer verleihen, es stürzt zusammen, sobald das Band brüderlicher Gemeinsamkeit zerreißt. Anstatt das seinige blühend in Güte, Glück und Kraft zurückzulassen, sollte er es vernichtet, zerbröckelt, beschmutzt, tot sehen, noch ehe er selbst tot war. Und welch ein segensreiches und herrliches Werk bis jetzt, dieses Chantebled, dessen überquellende Fruchtbarkeit von Ernte zu Ernte wuchs, diese so groß und blühend gewordene Mühle selbst, die seinem Geiste entsprungen war, ohne von den großen Reichtümern zu sprechen, die seine erobernden Söhne anderwärts, in Paris, in fernen Ländern erworben hatten! Und dieses wunderbare Werk, das entstanden war durch den Glauben an das Leben, sollte nun durch einen brudermörderischen Angriff auf das Leben zerstört werden!
Eines Abends, um die trübe Dämmerung eines der letzten Septembertage, ließ Marianne die Chaiselongue ans Fenster schieben, auf der sie in wortlosem Kummer dahinsiechte. Sie wurde nur von Charlotte betreut, sie hatte nur noch ihren jüngsten Sohn Benjamin bei sich in dem nun zu groß gewordenen Wohnhause, das den ehemaligen Jagdpavillon ersetzt hatte. Seitdem der Familienzwist ausgebrochen war, hatte sie
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