Fruchtbarkeit - 1
Moineaud zerstreut, verdorben, zerfressen von dem Gifthauch ihrer Lebenssphäre. Und er, Mathieu, stand allein noch aufrecht, Sieger im Verein mit Marianne, im Angesichte dieses Besitzes Chantebled, den sie den Séguin abgewonnen hatten, und wo nun ihre Kinder, Gervais und Claire, herrschten, die Dynastie ihres Geschlechtes fortpflanzten. Das war ihr Königreich, die Felder dehnten sich bis ans Ende des Gesichtskreises, wogten voll überquellend reichen Segens im schwindenden Licht des Abends, zeugten für den Kampf, für die heldenmütige Fruchtbarkeit ihres ganzen Daseins. Das war ihr Werk, das, was sie an Leben, Wesen und Dingen gezeugt hatten in ihrer machtvollen Liebe, in ihrer Tatfreudigkeit, liebend, wollend, handelnd, eine Welt schaffend.
»Sieh nur, sieh nur,« sagte Mathieu, »alles dies ist aus uns entsprossen, und wir müssen fortfahren, uns zu lieben, glücklich zu sein, damit das alles leben bleibe.«
»Oh,« erwiderte Marianne fröhlich, »das wird nun immer leben, da wir uns alle umarmt haben, da wir den Sieg errungen haben.«
Der Sieg! Der notwendige, natürliche Sieg der zahlreichen Familie! Dank der zahlreichen Familie, dem unaufhaltsamen Vorwärtsdringen der Vielen, hatten sie schließlich alles besetzt, alles sich zu eigen gemacht. Die Fruchtbarkeit war die gebietende, die unwiderstehliche Eroberin. Und diese Eroberung war ganz von selbst geschehen, sie hatten sie weder beabsichtigt noch vorbereitet, sie dankten sie, in ihrer fleckenlosen Ehrlichkeit, nur der in langer Arbeit erfüllten Pflicht. Und sie saßen nun Hand in Hand angesichts ihres Werkes, gleich bewunderungswürdigen Helden, umstrahlt von dem Ruhme, gut und stark gewesen zu sein, viele Kinder geboren, viel geschaffen zu haben, der Welt viel Freude, Gesundheit und Hoffnung gegeben zu haben inmitten der ewigen Kämpfe und der ewigen Tränen des Lebens.
5
Und Mathieu und Marianne lebten noch mehr als zwanzig Jahre, und Mathieu war neunzig, Marianne siebenundachtzig Jahre alt, als ihre drei ältesten Kinder, Denis, Ambroise und Gervais, die noch immer rüstig an ihrer Seite lebten, sich zusammentaten, um ihre diamantene Hochzeit, den siebzigsten Jahrestag ihrer Vermählung, durch ein großes Fest zu feiern, bei welchem die ganze Familie auf dem Gute Chantebled sich vereinigen sollte. Es war das keine kleine Sache. Als sie die Liste vollendet hatten, fanden sie, daß aus Mathieu und Marianne entsprossen waren einhundertachtundfünfzig Kinder, Enkel und Urenkel, uneingerechnet einige jüngst Geborene, welche die vierte Generation bildeten. Wenn noch die angeheirateten Männer und Frauen dazukamen, waren sie im ganzen dreihundert. Und wo auf dem Hofe einen so großen Raum finden, in welchem sie die riesige Familientafel aufstellen konnten, die sie planten? Der Hochzeitstag fiel auf den zweiten Juni, der Frühling war in diesem Jahr von außerordentlicher Sonnigkeit und Milde. Sie beschlossen daher, daß das Mahl im Freien stattfinden solle, und die Tafel sollte gegenüber dem einstigen Pavillon auf der großen Rasenfläche gedeckt werden, die, von prächtigen Buchen und Ulmen umschlossen, einem riesigen grünen Saale glich. Wie heimlich würden sie sich alle da fühlen, mitten im Schoße der gütigen Erde, unter der nun mächtig entwickelten Eiche, welche von den beiden Ahnen gepflanzt worden, deren blühend reiches Geschlecht nun ihre glückliche Fruchtbarkeit zu feiern gekommen war.
Die Vorbereitungen und Anordnungen zu dem Feste wurden mit liebevoller und fröhlicher Begeisterung gefördert. Alle wollten daran teilnehmen, alle eilten herbei zu der glorreichen Familienvereinigung, von den Alten mit grauen Haaren bis zu den Kleinen, die noch den Finger in den Mund steckten. Und auch der weiche blaue Himmel, die strahlende Sonne wollten mit dabei sein, ebenso wie die ganze Besitzung, die rieselnden Quellen, die grünenden Felder, die reiche Ernten versprachen. Sie war prächtig anzusehen, diese gewaltige Hufeisentafel mitten im Grase, mit ihrem schimmernden Gedeck, über das die Sonne durch das Gitterwerk des Laubes einen Strahlenregen hinstreute. Das ruhmreiche Ehepaar, der Vater und die Mutter, sollten Seite an Seite im Mittelpunkte unter der großen Eiche sitzen. Dann war beschlossen worden, daß auch die andern Ehepaare nicht getrennt werden sollten, sondern daß es schön und herzlich sein würde, sie nebeneinander zu setzen, nach dem Rang der Generationen geordnet. Und was die jungen Männer und jungen Mädchen, die
Weitere Kostenlose Bücher