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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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erfüllte sie nun, welche frohe Zuversicht auf das gute, fortan gesicherte Werk!
    »Fühlst du dich besser! Fühlst du deine Kräfte wiederkehren, schlägt dein Herz leicht?« »Oh, mein Schatz, ich fühle mich wieder gesund, ich starb nur an meinem Kummer. Morgen werde ich wieder kräftig sein.«
    Da versank Mathieu in tiefes Sinnen, angesichts seiner Schöpfung, dieser Besitzung, die sich endlos unter der sinkenden Sonne erstreckte. Und wieder stiegen die Erinnerungen in ihm auf, er gedachte des Morgens vor nun mehr als vierzig Jahren, wo er Marianne und die Kinder mit dreißig Sous in dem baufälligen Pavillon am Waldesrande zurückgelassen hatte, den sie der Billigkeit halber bewohnten. Sie hatten Schulden, ihrer war der frohgemute, der göttliche Leichtsinn, mit ihren vier stets hungrigen Kleinen, mit dem Strom von Knaben und Mädchen, den sie frei aus ihrer Liebe, ihrem Glauben an das Leben entfließen ließen. Dann erinnerte er sich seiner Heimkehr am Abend, der dreihundert Franken, die er als sein Gehalt mitbrachte, der Berechnungen, die er angestellt hatte, von feiger Angst ergriffen, sinnesverwirrt von dem vergifteten Egoismus, dessen Fieberschauer er aus Paris mitgebracht hatte. Die Beauchêne, mit ihrer Fabrik, mit ihrem kleinen Maurice, dem einzigen Sohne, den sie zum künftigen Geldfürsten erzogen, hatten ihm das traurigste Elend vorausgesagt, den Tod auf dem Stroh, mitsamt seiner Frau und seiner Schar von Kindern. Und die Séguin, damals seine Hauseigentümer, hatten ihre Millionen vor ihm ausgebreitet, ihr prächtiges, von Kostbarkeiten erfülltes Palais, hatten ihn erdrückt, hatten mitleidig und geringschätzig auf ihn herabgeblickt, sie, deren Weisheit sich auf einen Knaben und ein Mädchen zu beschränken verstand. Und selbst diese armen Morange hatten davon gesprochen, ihrer Tochter Reine eine fürstliche Mitgift zu geben, hatten von einer Stellung mit zwölftausend Franken Einkommen geträumt, voll Verachtung für das selbstgewollte Elend der zahlreichen Familien. Ja sogar die Lepailleur, die Müllersleute, zeigten sie nicht deutlich ihr Mißtrauen gegen diese Städter, die ihnen zwölf Franken für Eier und Milch schuldeten, fragten sie sich nicht, wie man seine Schulden bezahlen könne, wenn man sein Leben ruiniere, indem man ein Kind nach dem andern bekomme? Ach, sie hatten recht, er fühlte seinen Fehler, er sagte sich damals, daß er niemals eine Fabrik, noch ein Palais, noch selbst eine Mühle sein eigen nennen werde, ebensowenig als er je zwölftausend Franken verdienen werde. Die andern hatten alles, er hatte nichts. Die andern, die Reichen, waren weise genug, sich nicht mit Familie zu beladen, und er, der Arme, hängte sich Kinder an den Hals, eins nach dem andern, ohne zu rechnen. Es war der reine Wahnsinn. Und schließlich überkam ihn dann eine köstliche Erinnerung, an den Paroxysmus von Liebe und Hoffnung, welcher ihn nach all diesen klugen Betrachtungen in die Arme seiner Marianne, seiner tapferen und zuversichtlichen Marianne geworfen hatte, in einem Auflodern der göttlichen Begierde, die ein Kind mehr wollte, noch ein Wesen in der ewigen Entstehung der Wesen.
    Und nun, nach vierzig Jahren, war sein Wahnsinn zur Weisheit geworden. Er hatte gesiegt durch seinen göttlichen Leichtsinn, der Arme hatte die Reichen geschlagen, der gute Sämann, der die Saat mit vollen Händen ausstreute, auf die Zukunft vertrauend, die die volle Ernte einheimsen würde. Und der letzte Tag, der schöne Tag, den er seit diesem Morgen durchlebte, rollte sich noch einmal mit allen seinen triumphierenden Eindrücken in seinem Geiste ab. Die Fabrik der Beauchêne, er besaß sie heute durch seinen Sohn Denis, er sah sie vor sich, eine Stadt der Arbeit, mit ihren sausenden Maschinen, ihren dröhnenden Amboßen, auf denen die Millionen für den Herrn geschmiedet wurden. Das Palais Séguin, er besaß es ebenfalls durch seinen Sohn Ambroise, prächtiger als je, bereichert durch die Gewinne an dem Handel mit allen Ländern der Erde. Die Mühle der Lepailleur, er besaß sie nicht minder durch seinen Sohn Grégoire, ins Zehnfache vergrößert, voll neuerblühten Gedeihens, wie ein letztes Geschenk des Glückes, das von selbst der Arbeit, der siegreichen Tatkraft zufällt. Ein furchtbares, maßloses Strafgericht hatte die bejammernswerten Morange in einen Abgrund von Blut und Wahnsinn geschleudert. Viele andern waren dahin, waren in die Gosse gesunken: Sérafine, nutzlos, in ihrer Genußgier vernichtet; die

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