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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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hat, weil er in Afrika Soldat gewesen ist und Zeitungen liest. Ich habe aus ihr nichts herausbringen können als den eigensinnigen Ausspruch: ›Die Kinder, das kostet mehr als es trägt.‹ Aber der Mann hat zweifellos seine eignen Ideen. Du kennst ihn ja? Den großen Menschen, rot und mager wie seine Frau, mit eckigem Gesicht, grünen Augen und vorstehenden Backenknochen. Er sieht aus wie einer, der nie aus der Wut herauskommt. Und ich glaube, daß er deswegen keine Kinder mehr haben will, weil er hauptsächlich seinem Schwiegervater den Vorwurf macht, drei Töchter und einen Sohn zu haben, was das Erbteil seiner Frau stark beschnitten hat. Und da die Müllerei seinen Vater nicht reich gemacht hat, schimpft er auf seine Mühle vom Morgen bis zum Abend, wiederholt immer, daß er nicht derjenige sein werde, der seinen Antonin verhindert, nach Paris zu gehen und Weißbrot zu essen, wenn er dort einen guten Platz finden kann.«
    So fand Mathieu hier, unter dem Landvolke, dieselben Gründe wieder, die die Familie begrenzten, wie bei den Beauchêne und den Morange: die Furcht vor der Teilung des Erbes, das Verlangen, um eine Klasse zu steigen, Erbitterung gegen die Handarbeit, die Sucht nach dem Luxus der Stadt. Da die Erde Bankrott machte, warum sich plagen, um sie mit magerem Ertrage zu bebauen, mit der Sicherheit, daß man nie reich werden würde? Er war im Begriffe, diese Dinge seiner Frau zu erklären, begnügte sich aber schließlich, zu sagen:
    »Er hat unrecht, sich zu beklagen; er hat zwei Kühe, ein Pferd, und wenn die Arbeit drängt, kann er sich einen Gehilfen nehmen. Wir hatten heute morgen dreißig Sous und keine Mühle und nicht das kleinste Stückchen Feld. Ich finde seine Mühle prächtig, und ich beneide ihn darum, so oft ich über diese Brücke gehe. Stelle dir uns als Müller und Müllerin vor, wie wären wir reich und glücklich!«
    Sie lachten beide. Einen Augenblick blieben sie noch sitzen und betrachteten die dunkle Masse der Mühle am Ufer der Yeuse. Der kleine Fluß atmete unendlichen Frieden, wie er zwischen den Weiden und Pappeln der Ufer hinfloß, sanft murmelnd unter den Wasserpflanzen, die Streifen in seine glänzende Oberfläche zogen. Inmitten einer Gruppe von Eichen sah man den großen Schuppen, der das Rad überdachte, das angrenzende Wohnhaus, um das sich Efeu, Geißblatt und wilder Wein rankten, ein Bild voll romantischer Poesie. Und besonders des Nachts, wenn die Mühle schlief, ohne Licht, gab es nichts, was stimmungsvoller und träumerischer gewesen wäre.
    »Horch!« sagte Mathieu leise, »dort ist jemand, unter den Weiden am Ufer. Ich habe ein Geräusch gehört.«
    »Oh, ich weiß,« sagte Marianne mit leichter Heiterkeit. »Das muß das junge Paar sein, das sich da vor etwa vierzehn Tagen in dem kleinen Häuschen eingenistet hat. Du weißt ja, Madame Angelin, die Pensionatsfreundin Constances.«
    Diese Angelin, die ihre Nachbarn geworden waren, interessierten sie: sie, gleichen Alters mit Marianne, eine große Brünette mit schönen Haaren und schönen Augen, mit dem Ausdruck fortwährender Freude im Gesicht, den Müßiggang und den Genuß liebend; er, ein schöner, leidenschaftlich verliebter Mann, gleichen Alters mit Mathieu, von der freien Lustigkeit eines Musketiers, mit aufgewirbeltem Schnurrbart. Sie hatten sich in einem Aufbrausen der Leidenschaft geheiratet, besaßen zusammen zehntausend Franken Rente, welche er, der sehr hübsch Fächer zu malen verstand, hätte verdoppeln können, hätte ihn nicht die Liebe zu seiner Frau in verliebte Schlaffheit versinken lassen. Sie waren diesen Frühling hierhergekommen, hatten sich in die Einsamkeit von Janville geflüchtet, um sich hier ungestört, leidenschaftlich inmitten der freien Natur zu lieben. Man begegnete ihnen immerfort auf den Waldwegen, wie sie einander umschlungen hielten, versteckte Winkel, lauschige Ruheplätzchen suchten. Besonders des Nachts gingen sie so miteinander durch die Felder, hinter den Hecken, die dunkeln Ufer der Yeuse entlang, und verweilten gerne bis zu sehr später Stunde an dem murmelnden Wasser, in dem schwarzen Schatten der Weiden.
    »Auch eine, die kein Kind will,« fuhr Marianne fort. »Sie hat mir neulich gesagt, daß sie entschlossen ist, vor dreißig Jahren keines zu haben, um sich noch eine Weile mit ihrem Manne des Lebens freuen zu können, ohne sich gleich mit einer Mutterschaft zu belasten, die ihr zu viel Zeit wegnehmen würde. Und er ist, wie es scheint, noch leidenschaftlicher in dem

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