Frühling, Freunde, freche Fohlen
Das kannst du doch nicht machen! Kaum kehre ich dir den Rücken...“, murmelte Bille und versuchte das Flattern in der Magengrube zu unterdrücken. Aber es half nichts, sie war aufgeregt wie vor dem ersten Schultag. Pünktchens Fohlen war nun einmal etwas Besonderes.
Leise stieg sie wieder auf die Trittleiter und nahm ihren Beobachtungsposten ein. Immer wieder hielt sie den Atem an und ballte die Fäuste vor Anspannung, wenn eine neue Preßwehe das Fohlen dem Geburtsausgang näher schob. Jetzt! Da waren, von der Eihaut umhüllt, die kleinen Hufe und gleich dahinter die Nase des Fohlens. Mit einer gewaltigen Anstrengung drückte Pünktchen ihr Fohlen aus dem Leib, sie stöhnte auf und ließ sich erschöpft ins Stroh sinken. Aber nur ganz kurz, dann richtete sie sich auf und begann ihr Kind trockenzulecken .
„Ein Hengstfohlen! Ein kleiner Sohn, Pünktchen! Gratuliere, das hast du fabelhaft gemacht! So schnell und leicht ging es! Simon wird stolz auf dich sein!“
Bille stieg von der Trittleiter und ging zum Stalltelefon, aber dann zögerte sie, Herrn Henrich im Büro anzurufen und ihm die große Neuigkeit mitzuteilen. Pünktchen sollte noch eine Weile ihre Ruhe haben, um sich mit ihrem Sohn bekannt zu machen. Sprach sich das Ereignis drüben erst herum, dann würden sie sofort alle angelaufen kommen. Bille kehrte zu ihrem Beobachtungsposten zurück und schaute dem Kleinen zu, der bald die ersten Versuche machte aufzustehen.
Sie mußte zwei Stunden an der Box ausgeharrt haben, als sich vom Hof her Männerstimmen näherten. Herr Henrich kam mit Dr. Dörffler , um nach dem Rechten zu sehen. „Na, wie steht’s?“ fragte Herr Henrich leise.
„Sehen Sie selbst.“
„Was? Es ist schon da?“
„Es kam ganz leicht und schnell. Ich habe noch nie so eine glatte, unkomplizierte Fohlengeburt gesehen“, berichtete Bille. „So stelle ich es mir vor, wenn Wildpferde abfohlen, draußen auf der Weide.“
„Ein hübscher Kerl, sehr gut gebaut“, lobte der Tierarzt. „Der könnte mal ein gutes Vielseitigkeitspferd werden. Habt ihr schon einen Namen?“
„Das will ich Simon überlassen. Ehrlich gesagt haben wir bisher nur über Stutennamen nachgedacht. Simon war sicher, daß es ein Stutfohlen wird.“
Der Tierarzt lachte. „Nun ja, er hat eben eine Schwäche für hübsche Mädchen. Hoffentlich ist er nicht enttäuscht.“
„Das glaube ich nicht. Wenn er ihn erst mal gesehen hat, ist er bestimmt sofort verliebt in unseren kleinen Sohn.“
„Trinken tut er jedenfalls wie ein Alter. Dumm scheint er nicht zu sein.“
„Wie könnte er! Simons Fohlen!“ sagte Bille lachend. „Übrigens: Ich brauche ein Attest von Ihnen, Herr Dr. Dörffler .“
„Ein Attest? Für Black Arrow? Weshalb denn das?“
„Nein, nein, nicht für Black Arrow. Für mich!“
„Für dich?“
„Ja, ein Attest für die Schule. ,Bille Abromeit konnte am heutigen Tage den Unterricht leider nicht besuchen, sie war wegen einer Geburt verhindert.’ Oder so ähnlich.“
Der Tierarzt schmunzelte.
„So, so, und du meinst, das würde man gelten lassen? Ein Attest von mir?“
„Ignaz der Schreckliche — äh, ich meine Herr Albert — ist unser Klassenlehrer. Er kann zwar zum Fürchten sein, aber er hat Humor. Und für diesen speziellen Fall hat er bestimmt Verständnis. Du lieber Himmel, wie spät ist es? Simon wird doch bald zurückkommen?“
„Zum Mittagessen sollte er zurück sein. Du ißt heute selbstverständlich mit uns, Bille“, sagte Herr Henrich. „Ich werde Fräulein Fuchs Bescheid sagen. Und auf Simons Nachwuchs werden wir später auch anstoßen. Ich werde mal in den Keller hinunterschauen und eine besonders gute Flasche Wein aussuchen. Wie ist es mit Ihnen, Doktor — haben Sie Lust, zum Essen zu bleiben?“
„Danke, sehr nett, aber leider warten schon die nächsten Patienten auf mich, so gern ich die Einladung annehmen würde. “
„Herr Henrich!“ bat Bille. „Verraten Sie Simon nichts! Ich möchte es ihm selber sagen.“
Eine halbe Stunde später fuhr Simon auf den Hof. Bille empfing ihn in der Halle.
„Du siehst richtig geschafft aus, mein armer Schatz!“
„He! Warum bist du hier? Finde ich ja toll!“
„Hm, dein Vater hat mir angeboten, mit euch zu essen. Wie ging’s denn?“
„Ich glaube, ganz gut. Ich habe geschrieben wie der Teufel, hoffentlich ist nicht alles nur Mist. Jetzt jedenfalls fühle ich mich schlapp wie ein ausgewrungenes Handtuch.“
„Aber glücklich? Erleichtert?“
„Ich weiß
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