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Frühling, Freunde, freche Fohlen

Frühling, Freunde, freche Fohlen

Titel: Frühling, Freunde, freche Fohlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Caspari
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Nebenzimmer ist alles blau von Rauch, da konntest die Hand kaum vor den Augen sehen. Einer tönt da auf dem Podium... also, ich frage die Bedienung, die Ilse, was das soll. ,Ja , wissen Sie das nicht?“ erwidert sie. Da ist doch heute die Gründungsversammlung der neuen Heimatpartei! Der Bösenhaupt und seine Genossen. Die wollen uns von den Fremden befreien und wieder Zucht und Ordnung in unseren Landkreis bringen. Keine Nackten mehr in den Illustrierten, und im Kino und in der Kirche sollen die Frauen wieder getrennt von den Männern sitzen. Die Discos will er schließen lassen und die Negermusik verbieten. Zurück zu Omas guter alter Zeit/ Na, das hab ich mir ein bißchen angehört. Junge, Junge, der hat vielleicht Dinger losgelassen!“
    „Der Bösenhaupt ? Ich dachte, der wäre längst tot, der alte Knacker“, sagte Mutsch, nicht eben mitfühlend. „Er hat uns nach dem Krieg das Leben schwer genug gemacht. Damals war er zweiter Bürgermeister, dann ist er für ’ne ganze Weile in der Versenkung verschwunden. Man munkelte da so einiges. Und jetzt will er eine neue Partei gründen? Ja, geht denn da überhaupt jemand hin?“
    „Neugierig sind sie, das ist alles. Immerhin, der Saal war voll.“
    „Der hat uns gerade noch gefehlt“, murmelte Bille und stellte die Suppenteller zusammen. „Gastarbeiter raussetzen, die Typen hab ich vielleicht dick!“
    Thorsten schüttelte den Kopf.
    „Da seht ihr — wir sind ein freies Land! Jeder darf spinnen, wie er mag. Aber den Opa nimmt doch keiner ernst.“ Onkel Paul wiegte nachdenklich den Kopf.
    „Ich weiß nicht. Es waren auch ein paar ganz Junge da, die haben ihn angestarrt wie den lieben Gott! Es gibt immer Leute, bei denen so etwas auf fruchtbaren Boden fällt.“ Mutsch stellte heftig die Bratenplatte auf dem Tisch ab.
    „Der soll mir nur kommen! Wie der uns damals nach dem Krieg behandelt hat, als wir aus Ostpreußen hier ankamen! Steine hat er uns in den Weg gelegt, wo er nur konnte. Ein richtiges Ekel war er! Da kommt mir heute noch die Galle hoch, wenn ich nur dran denke! Ich war zwar noch ein Kind, aber ich weiß es noch genau!“
    „Reg dich nicht auf, Olga, ich schwöre dir, der geht unter mit Pauken und Trompeten“, sagte Onkel Paul begütigend. „Warte nur, bis er Sonntag vor der Kirche seine Wahlkundgebung macht für die nächste Bürgermeisterwahl. Die nehmen ihn doch alle nicht ernst.“
    „Hoffentlich nicht!“
    Als Bille später mit ihrer Mutter in der Küche den Abwasch machte, kamen sie noch einmal auf das Thema.
    „Ich hab dich schon lange nicht mehr so wütend gesehen“, sagte Bille. „Du mußt dich ja damals schrecklich über ihn geärgert haben!“
    „Ich hätte ihn in der Luft zerreißen können. Ums Verrecken wollte der uns keine Unterkunft geben, und die Lebensmittelmarken, die sollte sich Großmutter bei ihm persönlich verdienen — falls du verstehst, was ich meine.“
    Bille sah ihre Mutter verblüfft an.
    „O ja, jetzt verstehe ich. Und ihr habt euch nie gerächt für diese... Unverschämtheit?“
    „Ich hatte keine Gelegenheit dazu. Leider.“
    „Ich kann verstehen, daß du das aus tiefster Seele bedauerst“, sagte Bille mit einem Verschwörerlächeln. „Ich möchte nicht wissen, was ich an eurer Stelle getan hätte. Da wär mir sicher so einiges eingefallen!“
    Daß auch Mutsch noch etwas dazu einfallen würde, das allerdings hätte Bille nicht vermutet.
    In den nächsten Tagen tauchten überall an Hauswänden und Plakatsäulen neben den Verlautbarungen der bekannten Parteien, die um Stimmen für die nächste Gemeinderatswahl warben, auch Wahlplakate der Neuen Heimatpartei auf.
    Unser Land muß sauber werden! prangte es an allen Ecken. Weg mit allem Artfremden, das uns nichts als den Sittenverfall gebracht hat!
    Auf dem Weg nach Groß-Willmsdorf begegnete Bille ihrem alten Freund Karlchen, der jetzt an der Tankstelle arbeitete.
    „Gehst du hin?“ fragte er grinsend und wies mit dem Kopf auf ein Plakat, das zur Wahlversammlung vor der Kirche einlud. „Sogar einen Imbiß und Freibier gibt’s. Der weiß schon, wie er sich seine Leute ranholt. Bei Freibier kommen sie doch alle.“
    „Ich hab Wichtigeres zu tun“, antwortete Bille naserümpfend. „Für den Hohlkopf ist mir meine Zeit wirklich zu schade.“
    „Meine Kumpels und ich, wir wollen mit Eimern und Schrubbern da antanzen“ verriet Karlchen. „Für eine saubere Heimat, du verstehst...“
    „Spitze! Dann lohnt es sich, vielleicht doch zu

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