Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
zufügen könnte?“
Arrow erwiderte nichts. Innerlich rang sie mit sich selbst. William war immer so höflich und zuvorkommend. Ohne ihn wäre diese ganze Reise niemals möglich gewesen. Doch inzwischen hatte sich das Blatt gewendet. Im Grunde hatte er Arrow bisher nicht den kleinsten Anlass gegeben, um das aufkeimende Misstrauen ihn betreffend rechtfertigen zu können. Wenn Harold allerdings Recht behielt, könnte jede weitere Unbesonnenheit William gegenüber verheerende Folgen haben. Aber was, wenn all diese Anschuldigungen in diesem Fall nicht zutrafen? Wenn Arrow ihm Unrecht tat und sie eigentlich gar nicht sein Opfer war? Dann bliebe trotzdem noch immer die Frage, warum er sie aufgesucht und sie auf ihrem Weg so sehr unterstützt hatte. Auf den ersten Blick schien William der perfekte Begleiter für eine solche Reise zu sein, doch plötzlich warf alles ein ganz anderes Licht auf ihn. Was steckte dahinter? Alles im Leben hatte einen Sinn. Es spielte niemals so, dass irgendjemand dringend Hilfe benötigte und einfach so eine Person aus dem Nichts auftauchte und dieses Jemanden Probleme ohne irgendeine Art von Gegenleistung löste. So etwas gehörte einfach nicht zum Lauf der Dinge. Irgendetwas musste einfach hinter seiner Hilfsbereitschaft stecken.
„Lass ihn“, sagte Harold, der Arrows Gedanken offenbar ihren Augen ablesen konnte. „Könnte gut sein, dass er gar nicht weiß, welche Folgen diese Speisen für dich haben. Oder er weiß es doch und es ist ihm einfach nur egal.“
Arrow warf Harold einen fragenden Blick zu.
„Auf ihn trifft diese Regel nicht zu“, beantwortete Harold ihre stumme Frage. „Eine Muse ist ein Wesen, das zwischen den Welten wandelt. Anderen Wesen, die irgendwann sterben, wie Menschen zum Beispiel, ist es nicht gestattet, zwischen dem Reich der Toten und der Welt der Lebenden hin und her zu springen. Für sie gelten klare Regeln – entweder das Eine oder das Andere. Haben sie sich erst einmal an den Gaben der Unterwelt bereichert, gibt es kein Zurück.“
Nur zögerlich ließ Arrow ihren skeptischen Blick wieder zu William schweifen. Er machte einen besorgten und zugleich gekränkten Eindruck. Ihr Kopf sagte ihr ganz deutlich, dass Vorsicht unter allen Umständen angebracht war. Aber ihr Herz redete ihr Schuldgefühle ein. Sie schien William verletzt zu haben, und das tat ihr sehr leid.
„Entschuldige bitte“, sagte Arrow niedergeschlagen.
William lächelte. „Schon in Ordnung. Du solltest dich jetzt wirklich ausruhen.“
„Ich könnte einen Schluck von dem Wasser vertragen“, warf Harold ein. „Mir schadet es nicht.“
Doch ohne darauf einzugehen, verschloss William die Flasche und ließ sich wenige Schritte weiter am nächstgelegenen Baum nieder.
Wie vor den Kopf gestoßen zückte Arrow ihre eigene Wasserflasche und reichte sie Harold. Dankend nahm dieser das Gefäß an und erhob sich. „Entschuldige bitte“, sagte er zu Arrow. „Ich brauche ein paar Minuten für mich.“ Dann wandte er sich ab und ging davon.
„Sag mal, kannst du mir verraten, was das gerade sollte?“, fuhr sie William an.
„Sprichst du mit mir?“, fragte William völlig perplex.
„Mit wem sollte ich denn sonst reden?“
William schmunzelte. „Keine Ahnung. Ein bisschen komisch kommst du mir schon vor.“
„Das ist nicht lustig“, gab Arrow , zurück. „Ich finde dein Benehmen nicht gut!“
„Aber welches Benehmen denn?“
„Na dein Benehmen Harold gegenüber!“
„Du nennst den Fenriswolf Harold?“, kicherte William amüsiert. „Ein ziemlich tölpelhafter Name für solch ein anmutiges Geschöpf, findest du nicht?“
„Du weißt genau, dass ich nicht von dem Wolf spreche.“
Williams Lächeln erstarb. Verständnislos, als wäre er sich keiner Schuld bewusst, musterte er sie. „Wenn ich dich verletzt habe, so tut es mir wirklich von ganzem Herzen leid. Trotzdem weiß ich einfach nicht, was du mir zur Last legst.“
„Ach nein?“, fragte Arrow schnippisch. „Dann erkläre mir doch bitte, womit du dein Verhalten Harold gegenüber rechtfertigst! Ich meine, es wäre eine andere Sache, wenn ich ihn so herablassend behandle. Immerhin hatten wir unsere Differenzen. Aber ich tue es trotzdem nicht. In einer solchen Situation wie dieser hier gehört sich das einfach nicht. Außerdem kennst du ihn ja nicht einmal und hattest bisher trotzdem kein einziges gutes Wort für ihn übrig.“
„Von wem zum Teufel redest du?“, fragte William.
Arrow entglitten die Gesichtszüge.
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