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Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)

Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)

Titel: Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Stoye
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bedenkt, dass er nur meinetwegen sterben musste. Die Musen bezeichneten es später als Rache an meinem Verrat. Da sie mich nicht töten konnten, verlangten sie nach einem anderen Opfer. Seither wünsche ich mir nichts sehnlicher, als dass Elaine mich nicht unter ihren Schutz gestellt hätte.
    Heute werde ich von den Musen ignoriert. Sie versuchen mich aus ihrer Geschichte zu streichen. Kein einziger von ihnen hat mir seither einen Funken Beachtung geschenkt. Sie haben mir das Kostbarste genommen und treten mich trotzdem noch immer mit Füßen.“
    Arrow schluckte. Was Harold ihr da erzählte, war schlimmer als alles, was sie sich je hätte ausmalen können. Und plötzlich wurde er für sie zu einem Anderen. Und sie verabscheute sich selbst, ihn derart herablassend behandelt zu haben.
    „Du hast es vielleicht gespürt“, murmelte Harold.
    Arrow runzelte die Stirn und überlegte. „Da war etwas“, entgegnete sie. „Kurz bevor ich das Tor zur Unterwelt durchschritten habe, hat es einen Moment voller Abscheu in mir gegeben. Doch es hat sich derart befremdlich angefühlt, dass ich befürchtet habe, mein Körper würde nicht länger mir gehören. Es war, als hätte etwas Fremdes die Macht über meine Gefühle ergriffen.“
    Betrübt senkte Harold seinen Blick. „Dann weißt du also, wovon ich spreche. Ich bin ein Verdammter in jeder Lebenslage. Sie übertragen ihren Hass auf andere, und insgesamt ist mein Leben so wenig lebenswert geworden, dass ich nicht einmal vor der Wilden Jagd verschont bleibe.“
    Sie musterte ihn fragend. Vor der Wilden Jagd? Dann fielen ihr die entgeisterten Gesichter ihrer Familie wieder ein, als sie ihnen von dem Gespräch mit dem General erzählt hatte. „Es war deinetwegen“, entgegnete sie betroffen. „Die anderen haben von all dem gewusst und dich beschützt. Deshalb haben sie mich an jenem Morgen zurechtgewiesen, als ich erzählt habe, dass ich den Anführern der Wilden Jagd das Fenster geöffnet habe.“
    Er nickte entkräftet. „Was ich getan habe, hat mich nicht zu einem Verbrecher gemacht. Doch das, was mir angetan wurde, hat einen Teil in mir sterben lassen und mich damit zu einem Verdammten werden lassen. Deshalb lauert die Wilde Jagd darauf, mich eines Tages in die Finger zu kriegen. Mit meiner Hilfe wollen sie die Taten rächen, die meinetwegen begangen wurden. Doch der Holunderwald ist nicht das, wovon ich mir meinen Frieden erhoffe. Es löst allerhöchstens eine Art Genugtuung in mir aus, aber dieses Gefühl ist so vergänglich ... Und letzten Endes wird es mir meinen Darren nicht zurückbringen. Außerdem besitze ich keine Seele. Es gibt kein Totenreich, in das ich umsiedeln kann, wenn ich eines Tages sterbe – sofern mir das nach Elaines Schutz überhaupt noch möglich ist. Der Holunderwald wäre für alle Ewigkeit meine Endstation. Dort bin ich nicht länger Herr über mich selbst. So kann ich nicht leben. Und genauso wenig kann ich auf diese Art sterben.“
    „Und als ich das Tor geöffnet habe, hast du die Chance ergriffen, dem allen entfliehen zu können, und bist mir gefolgt“, schlussfolgerte sie.
    „Es war mein Glück, dass sich der Mahr in der Nacht zuvor Zugang zum Schloss verschafft hat“, erklärte er. „Als ich ihn zu fassen bekam, habe ich ihn in der Bibliothek versteckt. Und nachdem du den Eingang durchschritten hast, bin ich auf seinem Rücken durch die Welt der Sterbenden geritten. Ohne ihn wäre auch mir der Zutritt versagt geblieben. Seit dem Vorfall mit den Musen ist es mir nicht mehr gestattet, zwischen den Welten zu wandeln. Aber auf seinem Rücken bin ich unerkannt geblieben, denn ihm ist der Zugang erlaubt.“
    Skeptisch schaute Arrow zu William hinüber. „Hältst du es für möglich, dass er an dem Mord an Darren beteiligt war?“
    „Das glaube ich nicht“, erwiderte Harold. „Jedenfalls kenne ich ihn nicht und er hat sich damals auch nicht bei mir zu der Tat bekannt.“
    Empört musterte Arrow ihn. „Soll das heißen, dass die Musen damit geprahlt haben?“
    „Sie sind unglaublich arrogante Geschöpfe und der Ansicht, dass ohne sie nichts und niemand existieren würden.“
    Arrow schwieg. Sie wusste, dass es einige Zeit dauern würde, bis sie Harolds Erzählungen verdaut hatte. Gleichzeitig war sie von sich selbst enttäuscht. Jeder hatte eine Geschichte zu erzählen. Doch sie hatte sich dermaßen um ihre eigene gekümmert, dass ihr der Blick für andere weitestgehend verlorenen gegangen war.
    Wortlos nahmen sie ihre Reise wieder

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