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Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)

Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)

Titel: Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Stoye
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auf. Während William damit beschäftigt war, die richtige Route zu finden und vorweg zu marschieren, folgten Arrow und Harold ihm nachdenklich. Zwischen ihnen wandelte der Fenriswolf. Arrow war froh, dass er sie begleitete. Tiere waren so viel angenehmere Weggefährten, sogar die Götter unter ihnen. Der Wolf sprach auch ohne Worte zu ihr und spendete ebenso Trost. Blicke genügten, um Gefühlslagen auszudrücken. Sie musste ihm nicht erklären, dass da etwas auf ihrem Herzen lastete, über das sie nachzudenken hatte, und dass ihre Niedergeschlagenheit nicht ihm galt.
    William hatte Harold noch immer keines Blickes gewürdigt, und dieser nahm es ohne zu protestieren hin. Obwohl es noch immer ein Indiz dafür sein konnte, dass William Recht behielt und Harold lediglich ihrer Fantasie entsprungen war, ärgerte sie dieses Verhalten. Gleichzeitig machten ihr diese Gedanken auch Angst. Sie fürchtete, den Blick für das Wesentliche verloren zu haben und dadurch falsche Entscheidungen zu treffen.
    Als William stehen blieb, wurde Arrow aus ihren Überlegungen gerissen. „Was ist?“
    „Wir sind da“, antwortete er ehrfürchtig.
    Vor ihnen lag die goldene Brücke Gjallarbrú, welche über den Todesfluss Gjöll führte. Genau wie es die Sage in die Welt der Lebenden überliefert hatte, wachte die Riesin Modgudr vor ihr und wartete darauf, dass verirrte Seelen vortraten, deren Namen und Herkunft sie protokollieren konnte.
    Es war das erste Mal, dass Arrow auf eine weibliche Vertreterin dieser Gattung traf. Aber obwohl sie von der Riesin mit einem strengen Blick gemustert wurde und Modgudrs Erscheinung durchaus respekteinflößend wirkte, hatte Arrow vor ihr nicht die gleiche Angst wie vor den männlichen Riesen.
    Im Schneidersitz balancierte sie mehrere Schriftrollen auf ihren Beinen und hielt bereits ihre Feder gezückt, um die Angaben der Neuankömmlinge zu notieren. Nachdem sie jeden eingehend gemustert hatte, sprach sie mit donnernder Stimme zu Arrow: „Ich benötige nur deine Daten.“
    „Arrow Fall“, entgegnete sie eingeschüchtert.
    Argwöhnisch legte die Riesin Papier und Feder beiseite und betrachtete sie erneut. „Wie lautet dein Anliegen?“
    „Ich bin auf der Suche nach der Unterweltenherrscherin Hel.“
    „Bist du sicher?“, fragte die Riesin skeptisch. „Du bist weder tot, noch verloren. Außerdem birgst du eine reine Seele in deinem Körper.“
    Arrow knirschte mit den Zähnen. Schon wieder ein höheres Wesen mit einer vernebelten Weltansicht. Wenn das Schicksal ihrer und aller anderen Welten von derartigen Wunschdenkern abhing, konnte das ja noch heiter werden.
    „Es ist von höchster Wichtigkeit“, entgegnete Arrow schon mutiger. „Wenn ich es nicht tue, werde ich mit Sicherheit sehr bald schon verloren sein.“
    Modgudr beugte sich vor und schaute Arrow lange und mit festem Blick in die Augen. Für einen Moment fühlte es sich ganz seltsam an. Die Riesin tauchte in Arrows Seele ein und gab gleichzeitig einen Teil ihrer eigenen Seele preis. Arrow sah ganze Scharen von Reisenden, die die Brücke überquerten. Wie so oft waren es die Kinder, deren Anblick sie am stärksten zusammenzucken ließ. Ihre hoffnungslosen Augen stachen wie ein spitzer Dorn in ihr Herz. Doch da war noch mehr. Arrow fühlte, dass es Modgudr ebenso ergangen war – bei jedem einzelnen von ihnen.
    Als sich die Riesin wieder zurücklehnte, sah Arrow sie plötzlich mit anderen Augen. Sie kam ihr so vertraut, zugleich aber auch noch immer so fremd vor. Jetzt waren beide Verwandte im Geiste.
    Arrow wusste, dass Modgudr in ihre stärksten Erinnerungen, leidenschaftlichsten Empfindungen und tiefsten Ängste eingetaucht war. Doch anstatt es ihr übelzunehmen, empfand sie Dank. Denn die Riesin hatte ihr im Gegenzug die gleichen Einblicke gewährt.
    Obwohl Modgudr Papier und Feder wieder aufnahm, notierte sie Arrows Angaben nicht und sprach stattdessen: „Die Reise sei dir gestattet, doch hüte dich vor dem Vergessen. Die reine Seele in deinem Inneren mag dich bisher vor dem Schlimmsten bewahrt haben, doch es steht nicht in ihrer Macht, dich auf ewig davor schützen zu können.“
    Arrow runzelte die Stirn. Für sie waren diese Worte nichts als ein Rätsel. Aber zum ersten Mal war sie über die Anmerkung bezüglich ihrer angeblich reinen Seele nicht verärgert, sondern dankbar. Warum das so war, wollte sich ihr jedoch nicht erschließen.
    Nachdenklich schritt Arrow an der Riesin vorbei und betrat die Brücke, auf der sie bereits von

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