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Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)

Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)

Titel: Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Stoye
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schaute William in die Augen. Sie fühlte, wie sich sein Geist in ihre Seele schlich. Seine zarten Fühler ergriffen Besitz von ihr. Harold hatte sie vor diesem Moment gewarnt, doch jetzt war es egal, was mit ihr geschehen würde. Und außerdem war es nur ein Kuss, etwas absolut Wunderbares. Der Wunsch nach seinen Lippen war mittlerweile so groß, dass Arrow sich nach Erlösung sehnte. Sie glaubte nicht länger daran, dass jemand, der so schön war, etwas so Hässliches mit ihr vorhaben und sie wie ein Parasit aussaugen könnte.
    Während sie William langsam näher kam, war Arrow unfähig, ihre Augen zu schließen. Er hatte den gleichen Einfluss auf sie, wie es das Licht auf eine Motte hatte. Die Tatsache, dass es sich dabei um ein tödliches Feuer handeln konnte, hatte sie vollkommen ausgeblendet. Allein die Überzeugung, dass am Ende das Paradies auf sie warten würde, reifte immer stärker in ihr heran. Doch dann passierte etwas Seltsames. Für den Bruchteil einer Sekunde schaute William sie nicht länger an, sondern an ihr vorbei, und Arrow wusste intuitiv, dass Harold hinter ihr stand. So verwunderte es sie auch nicht, als sie von seiner knochigen Hand am Arm gepackt und unsanft zu Boden gewirbelt wurde.
    „Bist du von allen guten Geistern verlassen?“, herrschte er Arrow an. „Hast du alles vergessen, was Keylam und du zusammen durchgemacht habt? Dass er dich liebt und auf dich wartet?“
    Verwundert runzelte Arrow die Stirn. „Keylam?“, fragte sie fast flüsternd. Und bevor sie den Schrecken in Harolds Gesicht erkennen konnte, hatte William sich schon über sie gebeugt.
    „Ist alles in Ordnung?“, fragte er besorgt und reichte ihr seine Hand. Verwirrt griff Arrow danach und ließ sich von ihm auf die Füße helfen. Unfähig, noch einen klaren Gedanken fassen zu können, ging Arrow zum Fenriswolf und setzte ihre Reise an seiner Seite schweigend fort.

    Obwohl sie keinen Ton sagten, wusste Arrow, dass William und Harold dicht hinter ihr waren. Sie wagte nicht, einen Blick zurückzuwerfen, und ging in ihren Gedanken immer wieder jedes Wort und jeden Blick von beiden durch. William hatte gesagt, dass er Harold nicht sehen könne, dass er ein Hirngespinst und somit nicht anwesend sei. Und Harold hatte gesagt, dass sie William nicht trauen dürfe und er nichts Gutes im Sinn habe.
    Irgendwann verlor sie das Gefühl dafür, wie lange sie schon ziellos umher geirrt war. Natürlich wollte sie nach wie vor zur Welt hinter den Welten, doch sie hatte nicht die geringste Ahnung, welche Richtung sie dafür einschlagen musste.
    „Arrow“, hörte sie William sagen und zuckte beim Klang seiner warmherzigen Stimme zusammen. „Vielleicht sollten wir eine Pause einlegen. Du wirkst erschöpft.“
    Teilnahmslos nickte sie und ließ sich am nächstbesten Baum nieder. Ein gutes Dutzend kleiner Spinnen nahm sich ihrer sofort an, und Arrow freute sich über diese Art von Trost.
    Während William die Umgebung ausspähte, setzte Harold sich zu ihr.
    Er wirkte besorgt, und nachdem er sie eine ganze Weile beobachtet hatte, ergriff er endlich das Wort. „Willst du erzählen, was in der Burg vorgefallen ist?“
    Obwohl Arrow keine Lust auf ein Gespräch hatte, ließ sie sich dennoch darauf ein. Irgendwie hatte sie das Gefühl, es Harold schuldig zu sein.
    „Es war ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte“, begann sie zu erzählen und lehnte ihren Kopf dabei zurück. „Hel ist mir ausnahmslos freundlich begegnet. In dieser Hinsicht treffen die Geschichten über sie also nicht zu. Einzig ihre äußerst gewöhnungsbedürftige Erscheinung stimmt mit den Legenden überein.“
    „Aber was du sagst, bestätigt im Grunde nur, dass sie ihrem Ruf doch gerecht wird. Hel ist keine durch und durch böse Herrscherin. Sie behandelt jede Seele genau so, wie es ihr gebührt.“
    „Woher weißt du das? Bist du ihr etwa schon mal begegnet?“
    Harold lachte. „Wie sollte ich? Du weißt doch, dass ich ihr Reich nicht betreten kann. Außerdem verlässt sie es nie. Aber mit den Jahren habe ich gelernt, wem man Glauben schenken sollte. Besonders vertrauenswürdige Leute reden überwiegend positiv über Hel. Gauner, Mörder und Diebe berichten hingegen nur Gegenteiliges. Bei denen wundert es mich auch nicht, denn immerhin gehört es zu Hels Aufgaben, die Schlechten zu bestrafen. Wer also eins und eins zusammenzählt, wird wissen, dass sie solchen nicht unbedingt wohlgesonnen ist. Demzufolge reden sie auch schlecht über Hel.“
    Nachdenklich

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